Ruegen Ranen Rachedurst
ist. Es kommt doch immer wieder vor, dass Zeugen irgendetwas Wichtiges mitbekommen haben, aber aus mehr oder minder nachvollziehbaren Gründen nicht in den Strudel einer polizeilichen Ermittlung hineingezogen werden wollen – zum Beispiel, weil sie selbst irgendwelchen Dreck am Stecken haben.“
„ So was kann passieren, deswegen fände ich es besser, wenn Sie nicht allein gehen“, wandte George besorgt ein.
„ Ich bin genau seiner Meinung!“, fügte Lydia eilig hinzu. „Wer weiß, was das für ein irrer Typ ist.“
Aber Benecke hatte sich längst anders entschieden. In gedämpftem Tonfall sagte er: „Der Kerl wusste genau, wo ich bin. Und ich nehme an, dass er uns vielleicht sogar in diesem Moment beobachtet – oder beobachten lässt. Darum hat es keinen Sinn, ihn irgendwie hereinlegen zu wollen. Das wird er sofort merken, und dann meldet er sich vielleicht nie wieder.“
Benecke nickte George und Lydia zu. „Bin gleich wieder da, nehme ich an. Und damit euch die Zeit nicht zu lang wird, könnt ihr ja noch eins von den Desserts probieren und euch ein bisschen umsehen – nach Typen, die verdächtig aussehen und Autos, die euch bekannt vorkommen!“
Benecke war schon fast weg, da rief Lydia. „Willst du das Telefon nicht besser hier lassen?“
Die ganze Zeit hatte ihr Ehemann den Telefonhörer in der linken Hand gehalten und wohl nicht mehr daran gedacht, dass es sich nicht um sein Eigentum handelte. Also ging er mit zwei schnellen Schritte zurück und legte das Telefon auf den Tisch.
„ Gebt es dem Kellner, wenn er kommt!“
Benecke ging ins Freie. Ein Mann stand an eine Laterne gelehnt und las eine Zeitung.
Schon fast zu auffällig, um wahr zu sein, dachte Benecke. Er beschloss, sich jetzt nicht von der Frage verrückt machen zu lassen, wer ihn wohl im Moment im Visier haben mochte.
Da fiel ihm plötzlich ein alter VW-Kastenwagen mit Verdeck auf einem Parkstreifen ins Auge. Vorwiegend wohl deshalb, weil dieser offenkundig von einem Amateur angestrichen und als Projektionsfläche künstlerischer Betätigung verwendet worden war. Ein immer wiederkehrendes Motiv war dabei kaum zu übersehen.
Käfer!
Der Besitzer schien eine Vorliebe dafür zu haben. In allen nur erdenklichen Farben und Formen hatte er die Krabbeltiere auf Türen und Kotflügel gemalt. Allerdings hatte er augenscheinlich nicht viel Ahnung davon. Es handelte sich hier wohl eher um Fantasiegeschöpfe
als um den Versuch, tatsächlich in der Natur lebende Tiere zu malen – sah man mal von den Marienkäfern ab. Aber selbst da fielen Benecke bei genauerem Hinsehen ein paar deutliche Fehler auf. Er blieb zögernd stehen.
Am liebsten hätte er von diesem Wagen ein Foto gemacht, aber dann konnte er sich doch gerade noch beherrschen und ließ die Digitalkamera stecken.
Wenn seine Vermutung stimmte und der Unbekannte ihn beobachtete, könnte ihn das unnötig nervös machen.
Kann ich ja später noch knipsen, dachte Benecke.
Dass der VW-Kastenwagen als Kennzeichen RÜG für Rügen hatte, blieb dem Kriminalbiologen gerade noch so im Bewusstsein haften, während er davoneilte.
Wenig später gelangte er in die Fischhalle. Es roch nach Marinaden für Rollmops und nach fangfrischem Fisch. Benecke blickte sich um. Da war ein Rentner mit Sonnenbrille, obwohl die eigentlich angesichts der Sichtverhältnisse innerhalb der Halle völlig überflüssig war. Konnte das der Kerl sein, der ihn beobachtet hatte?
Trotz der Tatsache, dass Mark Benecke Vegetarier war, dufteten die Fischspezialitäten, die hier angeboten wurden, doch recht appetitlich. Ein großer Kerl mit Schnauzbart und einem karierten Jackett rempelte Benecke an.
„ Können Sie nicht aufpassen?“, knurrte der Mann.
„ Entschuldigung“, erwiderte Benecke.
Er war schließlich nicht auf Streit aus.
„ Hallo Sie da!“, rief da plötzlich eine Frau. Sie bediente eigentlich hinter einer Fischtheke, kam jetzt aber hervor und ging schnurstracks auf Benecke zu. Die Frau hatte dickes braunes Haar, das mit einer Spange kaum zu bändigen war. Benecke schätzte sie auf Ende zwanzig.
„ Was gibt es denn?“, fragte Benecke.
Der Mann mit dem karierten Jackett verzog sich plötzlich sehr schnell.
„ Sind Sie Mark Benecke?“
„ Bin ich.“
„ Richtig – und einen Nasenring haben Sie auch.“ Sie gab Benecke einen Zettel. „Ich soll Ihnen das hier geben.“
Benecke nahm den Zettel und blickte darauf. Er erkannte eine Mobilfunknummer, in ungelenker Handschrift notiert.
„ Was
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