Rügensommer
mit, in dem alles steht, was du über meine Kurse wissen musst«, erklärte er und sprach auf einmal in normalem Tempo. »Hier sind außerdem zwei Artikel, die schon mal über mich erschienen sind.« Er reichte ihr die Kopien und den Handzettel. Sie sah offenkundig ziemlich verdutzt aus, denn er setzte hinzu: »Du scheinst so gar keinen Zugang zu meiner Welt zu haben. Schade. Würde dir gut tun. Das Angebot steht jedenfalls, dass du mal einen Workshop von mir begleitest. Und wenn du noch Fragen hast …« Er angelte eine Visitenkarte vom Tresen. »Da stehen Mail-Adresse und Faxnummer drauf.« Wie es aussah, hatte er sich gerade vom Innen-Ich ins Außen-Ich verwandelt. Schön, damit konnte sie erheblich mehr anfangen.
»Danke.« Deike steckte die Unterlagen ein und verabschiedete sich.
Als sie schon an der Tür war, rief er ihr nach: »Der Froschsteht übrigens für krasse Veränderungen. Es gibt immer einen Grund, warum sich welches Krafttier zeigt. Du solltest es nicht unbeachtet lassen. Soll ich es dir einhauchen?«
»Nein danke, das ist nicht nötig«, murmelte sie erschrocken und verließ eilig die Galerie.
»Bestimmt lernst du heute einen Froschkönig kennen.« Natty wollte sich noch immer ausschütten. »Wer weiß, was der dir dann so alles einhaucht.« Schon die ganze Rückfahrt vom Kap Arkona nach Hause hatte sie Tränen gelacht, während Deike die seltsame Begegnung mit dem eigentümlichen Glatzenbär schilderte. Jetzt rubbelte sie sich die langen Haare trocken. Deike zog sich gerade zum dritten Mal um, weil sie sich einfach nicht zwischen Hose, Rock und Kleid entscheiden konnte.
»Wollen wir wirklich zu diesem blöden Fest? Wir können es uns doch auch zu Hause gemütlich machen.«
»Wir haben Hannes versprochen, dass wir ihn mitnehmen.«
»Na und? Jeder kann sich mal versprechen«, maulte sie.
»Ach komm, sei kein Frosch!« Natty prustete los.
»Sehr witzig.« Deike wollte bockig klingen, musste aber selber schon wieder lachen. »Pass auf«, drohte sie im Spaß und fuhr sich durch das kurze Haar, das ihr frech vom Kopf stand, »sonst zeige ich dir, wo der Frosch die Locken hat.«
»Wir haben einen Therapeuten in der Klinik«, setzte Natty an.
»Der hat Froschaugen!« Deike legte die Finger um die Augenund riss sie weit auf.
»Jetzt krieg dich mal wieder ein. Ich meine es ganz ernst.«
»Du hast doch angefangen mit dem Froschkönig.«
»Dieser Therapeut arbeitet jedenfalls auch mit schamanischen Techniken. Ich kenne mich damit nicht aus, aber mir ist aufgefallen, dass der unsere Patienten extrem gut einschätzen kann.«
»Und?«
»Naja, vielleicht haben solche Leute eine besonders gute Menschenkenntnis und sehen genau, was dich gerade beschäftigt.«
»Frösche«, stellte Deike nüchtern fest und zog die Augenbrauen hoch.
»Nein, Veränderung!«
»Veränderung? Toll! Ich ziehe alle naselang um, fange ständig neue Jobs an, da ist Veränderung mal ganz etwas Neues.«
»Und wenn das genau anders gemeint ist? Wenn er meinte, dass dir eine große Veränderung bevorsteht, weil du nämlich endlich mal sesshaft wirst und mehr als ein Jahr an einem Ort bleibst?«
Deike sah sie zweifelnd an. »Ich glaube, mein Frosch pfeift.«
»Mir dir kann man aber auch nicht vernünftig reden.« Natty knuffte sie in die Seite.
In dem Moment klingelte es.
»Da kommt jemand, mit dem du dich vernünftig unterhalten kannst«, flötete Deike, rollte mit den Augen und ging zur Tür.
7.
»Wir hätten wirklich mit dem Fahrrad fahren können. Das sind höchstens fünfzehn Kilometer.« Hannes saß auf der Rückbank des Kleinwagens. Sein Kopf stieß gegen das Autodach. Wenn er sich vorbeugte, konnte Deike sein Aftershave riechen.
»In Kleidchen und Pumps ein echter Traum«, raunte sie.
Das Restaurant lag direkt am Rügischen Bodden. Sie betraten einen Raum, der einem U-Boot nachempfunden war. Die Decke wölbte sich über ihnen, als seien sie tatsächlich im Baucheines Schiffes. Man sah durch Bullaugen nach draußen, die Wände schienen mit Metall verkleidet zu sein, das von massiven Nieten zusammengehalten wurde. Es gab eine Schaltzentrale, Pressluftflaschen, Masken und Taucherpuppen als Dekoration.
Hannes unterhielt sich am Eingang mit einem unauffälligen Kerl, vermutlich der Chef, mit dem er ja befreundet war, wie er betont hatte. Deike und Natty sahen sich nach einem freien Tisch um.
»Ein bisschen albern, findest du nicht?«, raunte Deike ihrer Schwester zu.
»Mir gefällt’s.«
»Na ja, ganz
Weitere Kostenlose Bücher