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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gemeinsam die Kreidefelsen zu besuchen. Am Sonntag ist es natürlich ziemlich voll. Wenn ihr trotzdem Lust habt, biete ich mich gern als Fremdenführer an.«
    »Das ist nett, aber wir wissen noch gar nicht, ob wir ausgerechnet morgen zu den Kreidefelsen laufen wollen«, wehrte Deike sehr bestimmt ab. »So toll finde ich die Tour nicht, um ehrlich zu sein. Ich hatte mir mehr davon versprochen.« Da hatte sie ja mal ganz raffiniert einfließen lassen, dass sie sich auskannte und sie keinen Fremdenführer brauchten.
    »Also ich würde die Felsen schon gern sehen«, widersprach Natty.
    »Aber Hannes hat recht: Morgen ist es bestimmt total voll. Und du bist doch noch ein paar Tage hier. Wenn du willst, gehen wir am Montag.«
    »Wie ihr wollt.« Er nahm einen Schluck Wein und ließ sich nicht anmerken, ob er enttäuscht war.
    Es entstand eine peinliche Stille. Natty schien mit sich zu ringen, ob sie Deike nicht doch überreden sollte. Und die war selbst nahe daran, auf das Grauen, das der Gedanke an die vielen steilen Stufen bei ihr auslöste, zu pfeifen und auf seinen Vorschlag einzugehen.
    Schließlich leerte Hannes sein Glas, erhob sich und schob seinen Stuhl an die Hauswand. »Ich wollte wirklich nicht aufdringlich sein. Ich dachte nur, ich könnte euch mehr erzählen als die örtlichen Reiseleiter. Ich arbeite nämlich im Nationalparkamt. Übrigens würde ich euch nicht raten, den Fußweg zu nehmen. Der ist tatsächlich nicht so toll. Ihr solltet unbedingt mit dem Schiff fahren, damit ihr die Felsen vom Wasser aus seht.« Er lächelte beide noch einmal an. »Gute Nacht.«
    »Hannes!« Deike und Natty versuchten im gleichen Augenblick, ihn aufzuhalten.
    »Du arbeitest im Nationalparkamt? Das wusste ich gar nicht.« Deike knetete die beiden Handtücher, die sie noch immer über dem Arm trug. »Das klingt spannend!«
    »Ist es auch.«
    »Was machst du denn da genau?«, wollte Natty wissen.
    »Ich bin Geologe. Das Steilufer und die Versteinerungen in der Kreide haben eine Menge zu erzählen. Dann muss ich mit meinen Kollegen ständig ein Auge darauf haben, ob ein größerer Abbruch zu erwarten ist. Wir haben zwar genug Touristen auf der Insel, aber es ist trotzdem immer blöd, wenn welche von der Kreide verschüttet werden«, meinte er grinsend.
    »Ist das schon passiert?« Deike musste daran denken, wie nah sie mit Udo Neuhaus und der Seniorentruppe den Felsen gewesen war.
    »Mehrfach. Leider.«
    »Sind die dann gleich tot?«, fragte sie, um das Gespräch noch etwas in die Länge zu ziehen. Kaum dass sie den Satz beendet hatte, bereute sie ihn auch schon. Er musste sie ja für komplett verblödet halten.
    Hannes lachte laut auf. »Ja, komisch, den meisten bekommt es irgendwie nicht, unter einer drei Meter hohen Schicht aus Mergel und Kreide zu liegen«, brachte er belustigt hervor.
    »Klar, so meinte ich das auch nicht. Ich wollte wissen, ob …«, stammelte sie unbeholfen.
    »Ist das denn immer gleich so viel?«, sprang Natty in die Bresche.
    »Beim letzten Abbruch waren es rund zweihundertachtzig Tonnen, die runtergekommen sind. Das ist wenig. Als ich im Nationalpark anfing, im Jahr 2005, da brach ein großer Teilder Wissower Klinken weg. Dagegen war der Abbruch vor ein paar Wochen ein Hauch.« Er sah Deike an. »So sind sie, die Gäste, in den Hotels zahlen sie viel Geld, um mit Rügener Kreide eingerieben zu werden, und wenn das Zeug kostenlos auf sie runterfällt, sterben sie vor Schreck.« Er machte eine Pause und sagte dann: »Ich wollte mich nicht über dich lustig machen. Deine Frage klang nur so drollig. Nein, glücklicherweise gibt es nicht immer gleich Tote, wenn etwas von den Felsen abbricht. Meistens werden die Spürhunde angefordert, um mögliche Verschüttete schnellstens zu finden.«
    Wieder eine kleine Pause.
    »Glücklicherweise ist das nur ein winziger Teil meiner Arbeit. Viel mehr habe ich mit Naturschutz zu tun, kümmere mich um die Moore in der Gegend und kooperiere mit den Förstern.«
    »Jetzt bin ich so neugierig geworden, dass ich morgen unbedingt an die Felsen will«, erklärte Natty wild entschlossen. Sie wandte sich an Deike: »Eine Bootsfahrt ist doch immer lustig. Wollen wir?«
    »Du bist hier zu Gast, du entscheidest.«
    »Ihr müsst euch nicht verpflichtet fühlen.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Deike schnell. »Wer weiß, wie lange sich das Wetter noch hält. Was wir haben, haben wir. Also wann treffen wir uns?«

8.
    Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien und wärmte die

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