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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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gelang es ihr, den Leinenstoff so weit hochzuziehen, dass sie in der Ecke einen kleinen Stoffballen erspähte. Ihre Finger schlossen sich um ihn. Ihre Hände waren schneller als ihr Gehirn. Flink lösten sie den Knoten, der die Baumwolle zusammenhielt, sodass der Ballen sich öffnete und einen weichen Beutel aus Velourssamt freigab.
    Sie kippte ihn um.
    Fünf funkelnde Juwelen und die Fragmente eines sechsten schlugen dumpf auf den Boden auf. Rot, Blau, Grün, Gelb, Violett und das reinste Weiß – sie schienen das ganze Licht im Raum in sich zu speichern. Während sie heller erstrahlten, vertieften sich die Schatten um sie herum und wurden kälter.
    Sie hatte die Tränen von Idihet gefunden.
    Während sie fassungslos darauf starrte, begannen sie zu verschwimmen. Sie staunte vage darüber: über die Weisheit ihres Körpers, der die Tragweite dieser Entdeckung bereits erfasste, und über die Konsequenzen, um die ihre Gedanken permanent gekreist waren, die ihr Verstand jedoch nicht hatte fassen wollen.
    Als sie die Augen schloss, begannen die Tränen zu fließen.
    »Du hast es getan, nicht? Du hast beim Diebstahl der Juwelen geholfen!«
    Papa blickte von seiner Lektüre auf. Dann warf er einen verstohlenen Blick zu Georges Kammerdiener, der gerade dabei war, ihm seine Abendgarderobe bereitzulegen.
    Dieser Blick sagte ihr alles. Dass seine erste Reaktion nicht Verwirrung oder schockiertes Leugnen war – sondern Sorge, wer vielleicht mithören könnte. »Geben Sie uns einen Moment«, bat er Harkness. Als sich die Tür hinter dem Mann geschlossen hatte, sah er sie direkt an. »Du hast mit Ashmore gesprochen?«
    »Viel besser«, gab sie zurück. »Ich habe die Juwelen gefunden.«
    Er erstarrte so abrupt, dass die Stuhlbeine über die Holzdielen quietschten. »Wo sind sie?«
    »In Sicherheit«, sagte sie. »Im Gegensatz zu uns.«
    »Lydia … « Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Du musst mir glauben: Ich hatte keine Wahl.«
    »Ach ja?« Sie stieß ein verächtliches Lachen aus. Es schien ihr im Halse stecken zu bleiben, denn danach hatte sie beim Schlucken Schmerzen. »Erlaube mir, mich nach den Einzelheiten zu erkundigen. Hat dir jemand eine Pistole an den Kopf gehalten?«
    Mit einem schweren Seufzer erhob er sich. »Als es um die Tränen ging? Es fehlte nicht viel, ja.«
    »Verstehe. Gab es über die Jahre viele Pistolen? Denn Polly Marshall schien zu glauben, dass du und Hartnett in diesem Geschäft langjährige Partner wart. Und mir scheint, dass Pistolen nicht sehr zuverlässig sind. Hätte man dir so oft eine an den Kopf gehalten, wärst du inzwischen tot.«
    »Lydia.« Er zögerte. »Du weißt, wie schwer es ist, meine Arbeit zu finanzieren. Und du verstehst die Wichtigkeit meiner Unternehmung, den Nachweis für die biblischen Geschichten zu erbringen! Dann verstehst du doch sicher auch … «
    »Nein! Ich verstehe es nicht im Geringsten.« Gott, wenn sie an ihre unaufhörlichen Unschuldsbeteuerungen zurückdachte, an die Anstrengungen, die sie unternommen hatte, um ihn zu verteidigen, und wofür? »Mein Gott«, flüsterte sie. »Ich komme mir vor wie eine Närrin. Restlos eingewickelt von deinen hochfliegenden Versprechen. Dein Projekt? Was ist damit? Du bestiehlst die Menschen, Papa – du hilfst Dieben dabei, sich mit ihrer Beute aus dem Staub zu machen! Es kann durchaus sein, dass du zur Destabilisierung der Khedive-Herrschaft beigetragen hast. Weißt du, wie viele Menschen bei der Bombardierung von Alexandria ums Leben gekommen sind? Ich weiß, dass du es weißt! Noch Monate später konntest du von nichts anderem mehr sprechen!«
    Er lief rot an. »Und weißt du, um wie vieles besser Ägypten dasteht, seit Ahmad Urabi Pascha weg ist? Lydia, der Mann war Anarchist! Wenn ich dazu beigetragen habe, ihn ins Exil zu jagen, entschuldige ich mich nicht dafür. Bei Gott, am liebsten würde ich es von den Dächern schreien!«
    »Ach«, sagte sie leise. »Jetzt heißt es also plötzlich Ägypten den Ägyptern – solange es die richtigen Ägypter sind. Diejenigen, die du für geeignet hältst.«
    »Das ist irrelevant«, blaffte er. »Was glaubst du, wie wir uns dieses elegante Dach über dem Kopf leisten konnten? Hätte Sophie das allein bewerkstelligen können? Glaubst du wirklich, der Erlös aus deinem armseligen Antiquitätenhandel hätte ausgereicht, um eure Einführung in die feine Gesellschaft zu finanzieren? Oder bist du davon ausgegangen, dass ich die restliche Summe von meinen Fördergeldern

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