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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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Rahmen des Dachfensters fest, schwang sich hindurch und ward nicht mehr gesehen.
    Sie wollte ihm schon nach, als ihr unvermittelt einfiel, dass sie sich weit über dem Boden befand, ohne Flügel, die sie auffangen würden. Sie atmete zitternd aus und trat zurück an die Dachgaube. Ihre Glieder zitterten und bebten wie die eines Aufzieh-Spielzeugs, das langsamer wurde und schließlich stoppte.
    Tja.
    Mit zitternden Händen strich sie sich die Röcke wieder glatt. Sie hätte gedacht, ein Casanova wüsste, dass es bessere Methoden gab, einer Frau den Hof zu machen, als sie zu verführen und dann oben auf einem Hausdach sitzen zu lassen.
    Sie konzentrierte sich auf die Vorhänge gegenüber und zählte ihre schnellen, flachen Atemzüge. Der Himmel verdunkelte sich jetzt, und das Licht trübte sich, als Wolken anrückten. Er hatte sie dort angefasst. Sie hatte es zugelassen. Es war … herrlich gewesen.
    Wenn es regnete, hätte man auf dem Dach bestimmt nur noch einen sehr unsicheren Halt.
    Sie hatte gerade bis zwanzig gezählt, als ein weiterer Schrei ertönte, gellend und von einer Frau. »Sie bringen ihn noch um!«
    Sie kaute auf den Fingernägeln. Ihre Zukunft blitzte vor ihr auf: ein Skelett, dessen Knochen verstreut auf dem Dachvorsprung herumlagen; tot, weil der Viscount so dumm gewesen war, sich in der Dachkammer um die Ecke bringen zu lassen, während sie vor lauter Angst hier festsaß. Ein äußerst passendes Ende einer Verführung: Moralisten würden es zweifellos für gut befinden.
    »Aufhören!«
    Na schön, das gab den Ausschlag. Sie zwang sich, einen Schritt nach vorne zu machen. Schon beim nächsten versteiften sich ihre Gelenke. Sie hatte schon so viele Albträume gehabt, in denen sie fiel, in die Tiefe, mit nichts, was sie aufhalten konnte, Hände, die aus der Dunkelheit nach ihr griffen, sich aber wieder entzogen, wenn sie nach ihnen griff. Sie konnte nicht zum Rand gehen. Ein Flugversuch wäre leichter gewesen.
    Angsthase.
    Nun gut. Dann würde sie eben kriechen. Sie ließ sich auf das warme Schieferdach nieder und bewegte sich zentimeterweise vorwärts. Bis zum Rand zu kommen schien Ewigkeiten zu dauern. Wenn ich in St. Giles den Tod finde, wird Sophie mir niemals vergeben. George wird entsetzt sein. Sie erschreckte sich selbst, indem sie darüber lachte. Was für eine Optimistin sie war, im Angesicht ihres eigenen Todes noch einen Grund zur Heiterkeit zu finden.
    Endlich am Ziel angekommen, drehte sie sich um, rappelte sich mühsam hoch, hielt sich am Rand der Dachgaube fest und trat auf das schmale Gesims. Noch fünf Schritte bis zum Fenster, wenn sie es schaffte. Ihre Finger fühlten sich steif an, wo sie den Holzrahmen umklammerten.
    Eine Taube landete in der Nähe der Stelle, die sie bis eben noch für sich beansprucht hatte. Sie fixierte sie mit ihren Knopfaugen, während sie herumstolzierte. Am liebsten hätte Lydia sie verjagt, doch ihre Hand wollte ihren Griff einfach nicht lockern. War doch egal, ob der Vogel hier herumturnte wie ein Akrobat! Eigentlich sollte er sich nicht überlegen fühlen. Immerhin war sie größer und bestens ausgerüstet, um ihm Angst zu machen.
    Die Vorstellung war so lächerlich, dass sich ihre Gliedmaßen lockerten. Sie schlängelte sich rasch am Gesims entlang, doch der Anblick, der sich ihr durchs offene Fenster bot, ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben: Sanburne war dabei, Reggie gegen die Wand zu drücken. Eine Hand hielt er an seiner Kehle, die andere flach auf seiner Nase. Reggie gab keuchende Laute von sich, während Mrs Ogilvie an Sanburnes Arm zerrte, ohne damit viel auszurichten.
    Als die Frau sie erblickte, kam sie angesaust und zerrte sie ins Zimmer. Lydia landete auf allen vieren; Mrs Ogilvie packte sie an der Taille und zog sie hoch. »Halten Sie ihn auf«, rief sie hysterisch. Ihr Gesicht war blutig und ihr Auge schwoll von einem Faustschlag immer mehr an. »Er bringt Reggie um!«
    Lydia räusperte sich. Sanburnes Miene war völlig ausdruckslos, doch sein ausgestreckter Arm zitterte von der Kraft, die er ausübte, um seinem Gegner die Kehle zu zerquetschen. »Sanburne!«, rief sie scharf.
    Er schien sie nicht zu hören. Seine stumme, entschlossene Konzentration stand in schaurigem Kontrast zu Reggies nachlassendem Keuchen. Mrs Ogilvie stöhnte und schubste sie nach vorn. Den Blick auf den Viscount gerichtet, stolperte sie über den Saum ihrer Röcke. Er hatte eine frische Wunde auf dem Wangenknochen, doch das Hemd des anderen war blutüberströmt,

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