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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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zweiten Stock. Im Büro des Pathologen angekommen, musste Eschenbach zuerst ganze Aktenberge beiseiteräumen, bevor er auf einem der vier Stühle am Besprechungstisch Platz fand. (Auch der Tisch war mit Papiertürmen belegt.)
    »Setz dich«, kam es von Salvisberg, der sich hinter dem Schreibtisch auf einen breiten Sessel gefläzt hatte. »Ich kann dir natürlich den Bericht nicht mitgeben … könnte jetzt aber einen Kaffee trinken gehen.«
    »Ich mag’s nicht lesen, Kurt. Und für ein solches Theater kennen wir uns schon zu lange. Zudem komme ich mir bei dem ganzen Fachchinesisch immer so dumm vor. Besser, du erzählst es mir.«
    Salvisberg grinste. Er sah auf das dünne Mäppchen vor sich auf dem Tisch. »Also gut«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob du heute die Nachrichten gesehen hast.«
    »Ich habe im Flugzeug gesessen.«
    »Im Radio haben sie’s auch gebracht.«
    »Im Flugzeug, Kurt!«
    »Ist schon gut, ich hab’s verstanden. Jedenfalls habe ich mir die Akte nochmals angeschaut. Ehrlich gesagt, hätte ich schwören können, dass mich einer von Höslis Leuten deshalb anruft.«
    »Hast du den Bericht nicht weitergegeben?«
    »Doch, natürlich. An Hösli höchstpersönlich sogar, es konnte ihm nicht schnell genug gehen.«
    »Na eben.«
    »Aber du weißt, wie das läuft.« Salvisberg kratzte sich am Kinn. »Wenn plötzlich einer auftaucht, so wie dieser Mister Bill, und der legt dann ein Geständnis auf den Tisch … post mortem , notabene . In allen Punkten schlüssig – und notariell beglaubigt, versteht sich. Also da hätte ich schon erwartet, dass mich einer anruft und mich nach meiner Meinung fragt.«
    »Und die wäre?«
    Der Pathologe wendete den Bericht ein paarmal in den Händen, bevor er antwortete.
    »Was der in seinem Statement behauptet, hat Hand und Fuß. Ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass er die Tat nicht begangen hat.«
    Eschenbach schüttelte den Kopf: »Ich hab den gestern getroffen, Kurt. Billadier hatte Parkinson!«
    »Das leugnet er ja auch nicht … weist in seinem Geständnis sogar darauf hin. Aber wenn du ihn gesehen hast … Eigentlich müsstest du am besten beurteilen können, wie’s um ihn steht.«
    Eschenbach schwieg.
    »Muhammad Ali hat in Salt Lake City das Olympische Feuer angezündet, mit Parkinson. Immerhin. Warum sollte dieser Bill nicht imstande gewesen sein, einem Bankier einen Genickschuss zu verpassen, mit einer leichten Handfeuerwaffe?«
    »Bitte etwas ausführlicher, Kurt. Ich kann mir zwar vorstellen was passiert ist, aber trotzdem.«
    Der Pathologe fasste kurz die Pressemitteilung zusammen, von der er in der Tagesschau gehört hatte. Im Laufe des Nachmittags hatten Hösli und zwei Offiziere der Kriminalpolizei eine Pressekonferenz abgehalten. Gegenstand der Erklärungen war das Geständnis von Billadier gewesen. Das Dokument war nach dem Freitod des Obersten in der Klinik Rosen von zwei renommierten Anwälten der Zürcher Polizeibehörde übergeben worden. Ebenso lag ein ärztliches Attest vor, das sowohl die Zurechnungs- wie auch die Handlungsfähigkeit des Obersten bescheinigte.
    »Nur die Tatwaffe fehlt«, sagte Salvisberg. »Das ist der einzige Schönheitsfehler, wenn man so will. Es bräuchte noch eine hübsche, kleine Pistole, auf der die Fingerabdrücke vom Täter sind.«
    »Da hast du nicht unrecht, Kurt.«
    »Eben.«
    »Warum gerade ein Genickschuss?«
    »Warum, warum?« Salvisberg lehnte sich zurück und blickte zur Decke. »Die beiden haben sich offenbar gekannt. Und wenn deine Hand zittert … ein aufgelegter Genickschuss ist dann die sicherste Variante.«
    Eschenbach gefiel die Sache nicht. Er konnte aber nicht genau den Finger darauf legen, auf das, was ihn an der Geschichte störte. Vielleicht war er deswegen so misstrauisch, weil ihn Billadier schon einmal hereingelegt hatte. Und wer einmal lügt … Möglicherweise war es auch nur eine Überreaktion, ein Echo des gerade Erlebten.
    Selbst die Börsenpsychologie kannte dieses Phänomen. Der Kommissar hatte darüber gelesen, als er bei Duprey angestellt gewesen war. Man nannte es die Overreacting Hypothesis .
    Diesen Überlegungen folgend, stand der Kommissar nicht nur der Sache selbst skeptisch gegenüber – auch seinem eigenen Argwohn misstraute er. »Ist es möglich, dass der Schuss erst angebracht wurde, als Banz bereits tot war?«
    Der Pathologe grinste. »Siehst du, mein Lieber …« Salvisberg schlug mit der flachen Hand auf den Bericht. »Diese Frage hat mich auch geplagt, gleich

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