Rütlischwur
der Werbeaufschrift Swiss Life.
Eschenbach hörte auf, darin zu wühlen, zog sein Handy aus der Jackentasche und wählte die Nummer von Rosa. »Mein Büro ist nicht mehr mein Büro«, sprach er ihr auf die Combox. »Und wo zum Teufel sind Sie?«
Im zweiten Karton fand er, eingeschweißt in Plastik, zwei Stapel Imagebroschüren mit dem Vermerk Zur Information und Distribution . Alle paar Jahre wieder, dachte er, riss die Folie auf und nahm das oberste Exemplar zur Hand:
Kantonspolizei Zürich –
Damit
Sie
sich
sicher
fühlen.
»Sie – sich – sicher.« Der Kommissar las den schwierigen Teil des Leitsatzes ein paarmal laut vor. Zu viele Zischlaute, fand er und war froh, dass er keinen Sprachfehler hatte.
Die Lifttür ging. Eschenbach hörte, wie jemand schon von weitem »Kommissario!« rief und mit trippelnden Schritten näher kam.
»Kommissario – um Gottes willen, wo sind Sie?«
Eschenbach stand auf und sah Rosa in einem langen hellblauen Leinenkleid ins Zimmer stürmen. Auf halbem Weg zu ihm ließ Rosa ihre übergroße Handtasche aus braunem Segeltuch fallen, dann umarmte sie den Kommissar. Eine ganze Weile standen sie schweigend da, drückten sich, bis Eschenbach bemerkte, wie Rosa die Tränen in die Augen schossen.
Wortlos entzog sich Rosa der Umarmung, tupfte sich mit dem Ärmel die Augenwinkel. Ihr pechschwarzes, halblanges Haar hatte sie streng nach hinten gekämmt. Sie sah bleich aus und müde. Ihre sonst so strahlenden Augen blickten traurig an Eschenbach vorbei.
»Die Sitzung, die Hösli für heute anberaumt hat, war beim Stadthausquai … drüben, bei den Kollegen. Hab ich das nicht geschrieben? Weil hier, schauen Sie nur …« Rosa machte eine alles umfassende Handbewegung. »Ist es nicht grässlich?« Ohne dass Eschenbach nur eine einzige Frage gestellt hatte, begann sie zu schildern, wie sich die Dinge in den letzten Wochen entwickelt hatten. Unter der Leitung von Max Hösli hatte ein Stab von internen und externen Beratern die ganze Organisation auf ihre Effizienz hin geprüft. »Die haben mich Dinge gefragt …« Rosa schniefte und gestikulierte. »Ich bin doch jetzt schon über zwölf Jahre hier … und Sie noch länger, Kommissario. Da weiß man doch, wie der Karren läuft. Warum man dies und das macht. Da haben wir uns doch auch etwas überlegt dabei, oder?«
Der Kommissar nickte.
»Aber jetzt wird alles anders. SAP – Systema Automatica Porcamiseria. Hundertelf verschiedene Eingabemasken – alles muss man archivieren –, doppelte Sicherheit und Vieraugenprinzip. Dafür muss man es zwei- und dreimal eingeben.«
»Und wo muss man das?«, fragte Eschenbach. Er sah Rosa an, die sich heftig ins Zeug legte, deutete auf seinen Schreibtisch, auf dem weder ein Computer noch ein Telefon stand. »Wo zum Teufel ist mein Arbeitsplatz hingezogen?«
»Ins Werd«, sagte Rosa und schniefte. »Weil sich das Gelände hier aufgrund seiner Nähe zum Bahnhof rentabler nutzen lässt, ziehen wir ins Werd-Gebäude, in dieses schreckliche Hochhaus.«
»Hat aber einen tollen Ausblick.«
»Nicht im zweiten Stock – dort sieht man gar nichts.« Rosa zog abermals die Nase hoch. »Dafür ist alles auf einer Etage, sagen die. Und das ist besser für die Kommunikation.«
Eschenbach zuckte die Schultern. Auch in dieser Sache hatte man ihn übergangen. Selbst wenn er ausdrücklich darum gebeten hatte, dass man ihn während seines Aufenthalts in Kanada mit nichts behelligte – es waren grundsätzliche Veränderungen, die man ins Auge fasste; und bei diesen hatte er das Recht, mitentscheiden zu können. Oder wenigstens gebührend gefragt und orientiert zu werden.
»Sie finden es doch auch nicht gut, oder?«, fragte Rosa und sah ihn an.
»Nein.«
»Eben. Und dazu kommt …« Rosa machte eine kurze Pause. »Jedenfalls haben die gemeint, dass ich zu teuer bin … Ja, das haben die gesagt. E una catastrofe – alles kostet viel zu viel.«
Eschenbach hätte sich mit Rosa nun gerne hingesetzt. Aber so wie es schien, hatte er außer seinem eigenen Sessel keine weiteren Stühle zu bieten. Seinen runden Gesprächstisch hatte man ebenso abtransportiert wie die zwei Zimmerpflanzen und den Papierkorb.
»Gehen wir ins Clipper «, schlug er vor. »Dort erzählen Sie mir alles der Reihe nach.«
»Da ist noch etwas mit Ihrem Volvo, Kommissario …« Rosa strich sich verlegen durchs Haar. »Sie haben mir das Auto doch gegeben, bevor Sie nach Kanada gegangen sind.«
Eschenbach nickte: »Lassen Sie
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