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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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durchbohrte mich regelrecht, doch ich zuckte nicht einmal mit einer Wimper. Schließlich stand Max fluchend auf.
    »Was soll’s? Es gibt Tausende von Frauen in dieser Stadt.«
    »Millionen«, korrigierte ich leise.
    »Klugscheißer!«
    »Ich weiß …«
    Max nickte stumm und wandte sich zur Tür.
    Ich rief ihn zurück. »Max?«
    Er drehte sich um. »Was denn noch?«
    »Mein Zimmer … Kann ich das behalten? Ich meine … egal, was mit Maren und mir ist?«
    Max starrte mich für einen Moment reglos an und ich hatte den Eindruck, dass ihm erst jetzt die gesamte Tragweite der Situation aufging. Für einen Philosophiestudenten war er gelegentlich erschreckend langsam von Begriff. Schließlich schnaubte er leise und trat halbherzig gegen den Mülleimer, der bedenklich ins Wanken geriet. »Ich denk drüber nach. Gute Nacht.«
    ***
    Die Stadt war wie in ein feuchtes Leichentuch gehüllt.
    Seit ich in Berlin war, hatte ich keinen so stillen, so trüben Tag erlebt. Die düsteren Wolken hingen bleischwer über den Dächern. Und zum ersten Mal merkte ich, dass mir etwas fehlte: Maren.
    Selbst der leise pochende Schmerz in meinem Unterkiefer konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich plötzlich einer völlig neuen Herausforderung gegenüberstand: mich vollkommen auf jemand anderen einzulassen. Ich wunderte mich über mich selbst, als diese Erkenntnis allmählich in mir hochdämmerte. Nie hatte ich jemanden in meinem Leben vermisst. Ich war stets am liebsten alleine mit mir und meinen Gedanken. Doch jetzt schlich, auf unscheinbaren Samtpfoten, die Wehmut hinter mir her. Das war neu. Und irgendwie musste ich damit umgehen.
    Ich verbrachte den Vormittag damit, mich im Bett herumzuwälzen und mir das Kissen über den Kopf zu ziehen. Doch immer wieder drängte sich Maren in meine Gedanken. Ich kam einfach nicht mehr zur Ruhe.
    In der Wohnung war es überwältigend still, Max schlief anscheinend noch. Oder er hatte wenig Lust, mir nach dem gestrigen Debakel über den Weg zu laufen. Beides war möglich.
    Als ich mich dabei ertappte, gedankenverloren aus dem Fenster zu starren und dabei ein Notenblatt, das zufällig neben meinem Bett gelegen hatte, in klitzekleine Fetzen zu zerreißen, quälte ich mich schließlich hoch. So ging es nicht weiter! Ich musste irgendetwas tun. Und was lag näher, als mich in die Recherche zum Symbol der achtstrahligen Sonne zu stürzen – nun, da ich dank Marens Hilfe wusste, dass es eine Verbindung zum Orgelbauhandwerk gab. Was allerdings die Wasserspeier konkret damit zu tun hatten, das galt es noch herauszufinden.
    ***
    Ich ahnte, dass die Wasserspeier ein faszinierendes Geheimnis bargen. Allerdings hatte ich nicht den Eindruck, dass sie es gerne preisgaben. Über Stunden vergrub ich mich in die Bücher und suchte nach Hinweisen, die mir dabei helfen sollten, das Rätsel zu lösen. Doch ich geriet immer nur noch tiefer hinein in mysteriöse Vermutungen.
    Mein Ausgangspunkt war das Sonnensymbol. Und tatsächlich fand ich darüber noch mehr als das, was Maren aus dem Musiklexikon hervorgezaubert hatte. Zunftzeichen waren über Jahrhunderte in den Handwerksberufen üblich und so erstaunte es auch nicht, dass Instrumentenbauer ihre eigenen Wappen hatten. Das Zunftwappen der Orgel- und Harmoniumbauer war allerdings das Bild eines Tasteninstrumentes mit silbernen Pfeifen neben zwei überkreuzten Hämmern. Keine achtstrahlige Sonne!
    Doch das Rätsel ließ sich lösen – nur, um dann direkt noch mysteriöser zu werden. Ich tauchte immer tiefer in die Arbeit einer geheimen Organisation ein, von deren Existenz über Jahrhunderte niemand etwas geahnt hatte: die »Bruderschaft der Silbersonne«.
    Wie ich erfuhr, hatten sich Handwerker aller Instrumentenbauberufe unter dem Zeichen der achtstrahligen Sonne einander zu erkennen gegeben. Das Besondere an diesen Gesellen war, dass sie eine Art Bund bildeten. Nur welchem Zweck diese Verbindung gedient haben konnte, das war nirgends herauszufinden. Zu verschlossen war diese Gesellschaft gewesen, zu vorsichtig ihre Mitglieder. Es war nicht einmal klar, ob die Bruderschaft noch heute existierte. Was auch immer es damit auf sich hatte, es sah so aus, als wüsste ich jetzt mehr – aber letztendlich war ich erneut in einer Sackgasse gelandet.
    Ich ließ das Buch zum Thema Handwerk und Symbolik sinken und starrte aus dem Fenster. Gleich mehrere neue Fragen hatten sich aufgetan. Und in meinem Kopf herrschte trotz der neuen Informationen noch dichterer Nebel als auf den

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