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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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konnte ich mich nicht zum Loslassen durchringen.
    »Also, was genau tue ich hier?«, fragte ich schließlich.
    Hades nickte.
    »Thiel hätte es Ihnen erklären sollen, anstatt Sie einfach in den gruseligen Keller zu bringen. Manchmal ist er einfach zu vorsichtig, wenn nicht gar misstrauisch. Aber das müssen Sie ihm nachsehen. Vorsicht ist eine zentrale Eigenschaft, wenn man Mitglied der Akademie ist.«
    Er holte tief Luft, dann fuhr er fort zu sprechen.
    »Sie sind hier, weil Sie einigen Menschen aufgefallen sind. Sie interessieren sich für Dinge, die normalen Menschen kaum ins Auge fallen. Und genau darum geht es.«
    Ich hörte gespannt zu, während er mir erklärte, was es mit der Akademie auf sich hatte. Seit über einhundertzwanzig Jahren fanden sich unter dem Dach der Akademie Menschen zusammen, die sich durch besondere Fähigkeiten auszeichneten. Zur damaligen Zeit hatten die Betroffenen sich ihrer Talente eher geschämt und sie verheimlicht – doch auch heute war das noch gang und gäbe. Zwar musste niemand mehr mit Verfolgung rechnen, mit Folter oder dem Scheiterhaufen. Trotzdem saß die Angst tief. Die Angst, angestarrt zu werden. Ausgelacht, weggestoßen, von der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, weil man anders war.
    »Und so lange ein Mensch seine besonderen Talente nicht als Geschenk betrachtet«, sagte Hades und musterte mich mit einem tiefen Blick, »so lange veränderte sich daran auch nichts.«
    Ich schluckte schwer, doch ich antwortete nicht. Es gab nichts zu sagen. Noch nicht. Und ich wollte wissen, was es mit den Akademiegründern auf sich hatte. Vier Visionäre, die Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten eine Chance hatten geben wollen.
    »Tristan Georgus, ein Hochsensibler, hat gemeinsam mit dem Medium Constance Moulin, dem Energetiker Matteo Biasini und der Telepathin Sarah Winston die Akademie ins Leben gerufen«, sagte Hades. »Und wie es aussieht, war das eine sehr gute Idee. Der Erfolg über die Jahre spricht für sich.«
    Ich horchte auf. »Was ist ein Energetiker?«
    Hades lächelte und zupfte sich beiläufig einen weißen Fussel von der schwarzen Anzughose.
    »Gut, dass Sie fragen. Wird sicher nicht das letzte Mal sein, dass Ihnen hier etwas begegnet, das Sie nicht kennen. Ein Energetiker ist jemand, der die Energiefelder, die uns alle ständig umgeben, durch seine Kräfte manipulieren kann.«
    »Interessant. Und wie lässt sich das nachweisen?«
    Hades’ Lächeln wurde breiter.
    »Wie lässt sich Ihre Hochsensibilität nachweisen?«
    Ich nickte stumm. Gute Frage. Und ich hatte definitiv keine Antwort darauf. Ich wusste eben einfach, dass diese Fähigkeit in mir war, von klein auf. Und dass sie mir das Leben nicht immer leicht machte.
    »Wieso habe ich hier in dem ganzen Haus niemanden sonst gesehen? Ich bin nur am Eingang jemandem begegnet, einem merkwürdigen älteren Mann.«
    »Das war Friedrich«, sagte Hades. »Er ist so etwas Ähnliches wie ein Pförtner. Allerdings trifft es das nicht ganz.«
    Ich zog es vor, nicht nachzufragen, was Friedrich sonst noch konnte. Wahrscheinlich würde ich es früh genug erfahren.
    »Und sonst ist niemand hier?«
    Hades neigte den Kopf zur Seite
    »Doch. Sie sind nur besondere Wege entlanggeführt worden, weil Sie niemandem begegnen sollten, solange Sie nicht selbst Teil der Akademie sind.«
    Selbst Teil der Akademie? Das Gefühl von Beklemmung tauchte wieder auf.
    »Ich soll in diesem Laden mitmachen?«, fragte ich mit belegter Stimme.
    Hades musterte mich überrascht.
    »Würde Sie das denn nicht begeistern? Lauter Menschen, die genauso ticken wie Sie selbst. Oder andere Fähigkeiten haben, die nicht weniger spannend sind. Und das Ziel ist die Vernetzung unserer Möglichkeiten. Wäre es nicht großartig, daran teilzuhaben?«
    Ich zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Ehrlich gesagt … keine Ahnung. Ich kann das so nicht entscheiden. Dafür müsste ich viel genauer wissen, was hier passiert. Und welchen Zwecken diese Akademie dient.«
    »Hohe moralische und ethische Vorstellungen in Kombination mit überlegter Handlungsweise«, grinste Hades. »Prima. Glauben Sie mir, Sie passen zu uns.«
    Ich war mir da nicht so sicher. Der Gedanke, mich in ein Umfeld zu begeben, in dem ich plötzlich unter Gleichgesinnten war, hatte ohne Zweifel etwas Verlockendes. Aber das würde auch bedeuten, dass ich meine Einzigartigkeit aufgab. Ein Zustand, mit dem ich mich über viele Jahre arrangiert hatte und der sich für mich auch sehr gut anfühlte.

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