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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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sehen konnten oder über die Gabe verfügten, durch Gedankenkraft Gegenstände zu bewegen oder Feuer zu entzünden.«
    Im Laufe der Zeit, so erklärte mir Hades weiter, hätte sich das Feld ausgeweitet, sodass sich inzwischen auch Menschen in der Akademie fanden, die sich durch besondere Talente in ganz alltäglichen Gebieten auszeichneten, wie zum Beispiel in der Medizin, im Finanzwesen oder in der Diplomatie. Ich war überrascht, denn damit hatte ich nicht gerechnet.
    »Allerdings ist die Gruppe derer, die paranormale Fähigkeiten haben, noch immer das Herzstück der Akademie«, schloss er. »Und diese Menschen sind leider nicht so häufig, wie wir es uns wünschen würden. Es ist nicht leicht, Personen zu finden, die sich ihre Fähigkeiten eingestehen oder auch nur realisieren, dass ihre Wahrnehmung über das hinausgeht, was andere bemerken. In Ihrem Fall war es leicht. Sie sind uns aufgefallen, weil Sie bestimmte Orte in Berlin aufgesucht haben.«
    »Die Wasserspeier«, flüsterte ich.
    »Richtig«, entgegnete Hades, während er die Fragebögen sorgfältig in eine Akte heftete und diese anschließend zuklappte. »Was für ein Tag! Alle hier waren völlig aus dem Häuschen, weil endlich wieder einmal jemand bemerkt hat, dass mit den Speiern etwas nicht stimmt. Es ist einige Zeit her, dass das zuletzt geschehen ist.«
    Ich runzelte die Stirn.
    »Moment! Das heißt, alle hier wissen von den Speiern?«
    »Natürlich. Sie dienen einem Zweck.«
    Ich beugte mich vor. Aufregung erfasste mich.
    »Dann ist auch die Warnung vor der Revolution bekannt?«
    Hades hob irritiert die Brauen. »Revolution? Was meinen Sie?«
    »Die Botschaft der Wasserspeier natürlich!«
    Ich sprang auf, riss ein Blatt Papier von einem Block ab, der auf einem der Tische lag, und kehrte zu Hades zurück. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass ich die Schere achtlos beiseitegelegt hatte.
    »Haben Sie einen Stift für mich?«
    Er reichte mir wortlos seinen Kugelschreiber und beobachtete dann, wie ich das Diagramm der Wasserspeier aufzeichnete.
    »Hier, es sind insgesamt neun Speier. Strahlenförmig um ein Zentrum angeordnet. Den Berliner Dom!«
    Hades legte den Kopf schief. »Und? Weiter?«
    Ich begann zu erklären. Dass die Zahl der Speier ein Datum war, wie die Nachrichten des Erbauers mich hatten wissen lassen. Und dass die Rhythmen den Schlüssel enthielten, der das Datum der Revolution enthüllen würde.
    »Glauben Sie mir!« Meine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. »Irgendetwas wird geschehen! Ein Tag, nach dem unser Land nie wieder sein wird wie zuvor! Wenn alle hier davon wissen, warum kümmert sich niemand darum? Vielleicht ist es ein Staatsstreich! Oder es stehen demnächst russische Truppen vor der Tür, was weiß denn ich? Man muss doch etwas tun!«
    Hades betrachtete mich für einen Augenblick eindringlich und strich sich dann langsam mit den Handflächen die Haare an den Schläfen zurück.
    »Haben Sie mit irgendjemandem darüber gesprochen?«
    Ich dachte kurz an Maren, hielt es dann aber für besser, sie aus der Sache rauszuhalten. Also lachte ich heiser.
    »Mit wem hätte ich das denn besprechen sollen? Man würde mich doch sofort für verrückt erklären.«
    »Davon würde ich nicht ausgehen. Vor allem, wenn es eine bestimmte Frau ist, die nun davon weiß …«
    Seine Stimme war plötzlich eisig geworden und erst jetzt wurde mir wieder bewusst, in welch heikler Lage ich mich befand. Ich hatte vergessen, dass Hades offensichtlich meine Gedanken abfangen konnte. Er musste mitbekommen haben, dass ich an Maren gedacht hatte. Und er wusste mit Sicherheit, dass ich gerade log.
    Ich schluckte schwer und presste dann die Lippen aufeinander.
    »Ich sage jetzt nichts mehr.«
    »Das ist auch nicht nötig.«
    Hades streifte den Arztkittel ab, hängte ihn sorgfältig über die Stuhllehne, verstaute die Schere, die ich unvorsichtigerweise aus der Hand gegeben hatte, in einem abschließbaren Schubfach und ging zurück zum Telefon. Es dauerte wieder nur Sekunden, bis am anderen Ende jemand ranging.
    »Das Problem ist größer als wir dachten«, hörte ich Hades sagen.
    Ich sackte auf meinem Stuhl zusammen, legte die Hände vors Gesicht und schloss die Augen. In meinen Ohren rauschte das Blut und ein seltsames Surren hatte sich über meine Gedanken gelegt, so, als wüte in meinem Kopf ein Schwarm von Hornissen.
    Ja, ohne Zweifel. Das Problem war viel größer als gedacht.
    ***
    »Was genau glauben Sie, in der Botschaft der Wasserspeier

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