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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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Seite zurück, hoch zum Titel. Und ein heiseres, ungläubiges Lachen löste sich aus meiner Kehle.
    »November«, hieß das Klavierstück. Tschaikowsky hatte es komponiert, als eines von zwölf Charakterstücken des »Jahreszeiten«-Zyklus. Und es fanden sich alle Rhythmen darin, die ich nach und nach bei den Drachen notiert hatte. Jeder einzelne von ihnen.
    Plötzlich war ich mir sicher, dass Maren diese Rhythmen der Wasserspeier ebenso wenig gekannt hatte wie ich. Sie hatte an eine Botschaft geglaubt, die so versteckt war, dass die Akademie in Ostberlin nichts davon gewusst hatte. Deshalb hatte sie mir geholfen! Nicht nur, um zu untersuchen, wie ausgeprägt meine Fähigkeiten waren!
    Ich schnaubte ungläubig, während ich die Noten nicht aus der Hand legen konnte. Maren hatte die Sprache der Wasserspeier entschlüsselt. Sie hatte das Musikstück gefunden, das den zweiten Teil des Datums der Revolution verriet: November!
    Eine wilde Aufregung erfasste mich. Was auch immer geschehen würde, der 9. November 1988 musste gemeint sein! War dies auch der Grund für Marens Verschwinden? War sie nach Ostberlin zurückgekehrt, weil Umwälzungen bevorstanden? Weil sie hier nicht mehr sicher war?
    Ein anderer, verrückter Gedanke drängte sich in meinen Kopf: Was, wenn sie irgendwo auf dich wartet? Wenn sie gar nicht in der DDR ist?
    Ich klammerte mich an diese Hoffnung wie an einen Strohhalm. Maren hatte mich nicht gewissenlos benutzt und hintergangen, da war mehr gewesen. Und diese Gewissheit fühlte sich gut an, weil sie die Schwere von meinen Schultern nahm. Zumindest für einen Moment.
    Ich wollte mich umdrehen und stieß dabei mit dem Fuß gegen ein Bein des alten Flügels. Sein Innenleben begann zu vibrieren und lenkte meine Aufmerksamkeit zurück ins Hier und Jetzt.
    Der Flügel …
    Maren hatte ihn geliebt. Sie hatte nicht einmal zugelassen, dass irgendetwas auf diesem Instrument abgelegt wurde, auch wenn der Rest des Zimmers chaotisch war.
    Ich legte eine Hand auf das dunkle Holz, das sich angenehm warm anfühlte. Nein, Maren wäre niemals freiwillig gegangen und hätte diesen Flügel zurückgelassen. Nie im Leben! Mit Sicherheit war sie gezwungen worden. Und vielleicht war auch einfach keine Zeit mehr geblieben, um mir Bescheid zu geben. Nur die Noten hatte sie hier liegen lassen können – als Hinweis für mich. Als Beweis, dass ich ihr nicht gleichgültig war.
    Ein Gedanke durchzuckte mich. Es war eine Erinnerung. Marens feingliedrige Hand, die fast zärtlich über das Holz des Flügelgehäuses strich. Wann war das gewesen? Wir hatten uns unterhalten, doch worüber nur …
    Ich suchte nach dem entscheidenden Teil der Erinnerung wie nach einem Splitter, der sich schmerzlich in die Haut bohrt, aber viel zu klein ist, um ihn sofort zu lokalisieren. Dann, endlich, kam ich darauf. Maren hatte mir von der »Bruderschaft der Silbersonne« erzählt. Und von den Instrumenten, die von den Mitgliedern des Ordens markiert worden waren.
    Mein Herz machte einen Sprung. Das Sonnensymbol!
    Ich ließ mich auf die Knie fallen und begann hektisch, jeden Millimeter des Flügels abzusuchen. Konnte es wirklich sein, dass dieser Flügel …
    Meine Finger glitten über eine Unebenheit. Ich zog scharf die Luft ein.
    Tatsächlich!
    Die Gravur befand sich an einem Metallteil im Korpus. Sie war zwischen Holzstreben so gut verborgen, dass jemand, der nicht gezielt gesucht hätte, niemals darauf gestoßen wäre. Vorsichtig strich ich mit den Fingerspitzen über die kleine achtstrahlige Sonne. Ein Lächeln schlich sich in meine Mundwinkel.
    Nein. Jetzt war ich ganz sicher: Maren hätte diesen Flügel, der aufgrund seiner Prägung etwas Besonderes war, niemals einfach so zurückgelassen!
    Einen Moment blieb ich unschlüssig stehen, dann glitt mein Blick wieder zu den Notenblättern zurück. Der 9. November also … Und jetzt? Was sollte ich mit der Information anfangen? Es war Mitte Oktober und was auch immer an dem Datum, das die Wasserspeier verrieten, geschehen sollte – noch wäre Zeit, es abzuwenden. Nur wie? Ich konnte schlecht zur Polizei gehen, man würde mich für verrückt halten. Also blieb nur Gunnar Thiel – und die Akademie. Auch wenn ich mir nicht sicher war, wie viel ich wirklich damit zu tun haben wollte. Aber vielleicht würde diese neue Information Licht ins Dunkel bringen. Und womöglich Schlimmes verhindern.
    Ich wandte mich zur Tür, als mir noch etwas einfiel: Meine Klarinette! Deshalb war ich ja hergekommen. Und weil

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