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Ruf der Dunkelheit

Ruf der Dunkelheit

Titel: Ruf der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Rauch
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scheint, als hättest du auf wundersame Weise dein inneres Gleichgewicht zurückerlangt.“ Mein Blick fiel auf unsere Hände und mir wurde bewusst, wie sehr ich den alten Julian vermisst hatte. Den Julian, der nicht von seiner Gier nach Blut beherrscht wurde. Doch ich fragte mich natürlich, was mit ihm geschehen war.
    Ich hörte, wie er geräuschvoll einatmete, ehe sich Bilder in meinem Kopf manifestierten. Erst war ich irritiert, woher sie plötzlich kamen, doch dann begriff ich – es waren Julians Erinnerungen. Zumindest ein Teil davon und ich erschauderte, denn manche raubten mir fast den Atem.
    Stöhnend sank ich zusammen, als sich mein Verstand wieder klärte und ich in Julians ernste Miene blickte. „Was war das?“, fragte ich ihn mit belegter Stimme. Ich hörte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. „Das … habe ich alles durchlebt, als du mit Max auf der Suche nach einem Gegengift warst – immer und immer wieder. Es ist schwer, das in Worte zu fassen, aber diese Erinnerungen haben so viele Gefühle in mir geweckt, die in den letzten Monaten wie gelähmt waren. Ich habe alles so deutlich gefühlt; Wut, Trauer, Hass, Angst – einfach alles. Und… als ich aufgewacht bin, war ich … so erfüllt von diesen Emotionen und dann habe ich dein Gesicht gesehen, das war … ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll – diese Liebe, mit der du mir in die Augen geblickt hast, da war einfach kein Platz mehr, für diese Gier, diesen Hunger, der mich seit Damians Tod Stück für Stück in den Wahnsinn getrieben hat.“ Seine Augen glänzten feucht, als sein Blick auf mich fiel. Er nahm mein Gesicht ganz sanft in seine Hände, so als hätte er Angst, er könnte mir wehtun und gab mir einen Kuss auf die Stirn. 
    Hinter uns knirschte der Kies und wir wandten uns um, als Olivia zu uns trat. Sie sah müde aus. Offenbar hatte sie in dieser Nacht nicht mehr so viel Schlaf gefunden, wie erhofft. „Valentina ist wieder da.“ Sie nickte in Richtung des Hauses. „Na dann.“ Julian erhob ich und hielt mir seine Hand hin. Ich folgte den beiden stumm, während mein Verstand noch damit beschäftig war, die Bilder aus Julians Erinnerungen zu verarbeiten. Er hatte mir alles offenbart – sogar Sarah. 
    Die Stimmung war bedrückend. Fast greifbar lagen der Unmut und die unausgesprochenen Schuldzuweisungen von Max´ Gefährtin in der Luft. Doch Olivia ignorierte die angespannten Gesichter und legte sofort los. Sie erinnerte mich einmal mehr an ihre Mutter. „Und? Hat irgendjemand konstruktive Vorschläge?“ Sie sah jeden von uns einen Moment lang an. Valentina lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Blick fixierte mich, während ihre Augen herausfordernd aufblitzten. „Vielleicht kann Tamara ja eine von ihren Visionen abrufen, dann könnten wir ganz einfach herausfinden, wo Max sich aufhält.“ Ihr scharfer Ton versetzte mir einen Stich ins Herz und ich senkte betreten den Blick, nachdem Olivia sich mir zugewandt hatte und ihre Augen fragend auf mir ruhten. „Ja genau, das wollte ich auch vorschlagen – hast du das denn noch nicht in Betracht gezogen?“ Ich hörte, wie Julian geräuschvoll einatmete. Meine Kehle wurde trocken und ich musste hart schlucken. „Ich … ich kann ihn nicht sehen“, murmelte ich mit gesenkter Stimme, ohne aufzublicken.
    „Wie bitte?!“ Sofort schrillte Val´s alarmierte Stimme in meinen Ohren und ich atmete kurz tief ein, ehe ich sie ansah. „Wiederhol das doch bitte noch mal!“ Sie hatte ihre Arme auf der Tischplatte abgestützt und sah aus, als würde sie jeden Moment über den Esstisch hinweg, auf mich zu springen. Ich hielt ihrem ungläubigen Blick stand und wiederholte jedes Wort langsam und deutlich. „Ich. Kann. Ihn. Nicht. Sehen.“
    Valentina schnaubte und ihr Körper bebte. „Und das erzählst du mir erst jetzt?!“ Ich beobachtete, wie sich ihre Fingernägel in das Holz der Tischplatte gruben, als wäre sie aus Knetmasse. „Ich meine…was…was bedeutet das? Ist er“, ihre Stimme schien fast zu versagen, „ist er vielleicht gar nicht mehr am Leben?“ 
    Julian nahm stumm meine Hand und drückte sie leicht. Es würde nicht einfach werden, ihnen das zu erklären. Val deutete mein Zögern offenbar falsch, denn sie lehnte sich noch weiter zu mir und ihre Augen waren nicht mehr, als schmale Schlitze, als sie mich anschrie: „Ist er noch am Leben, oder nicht! Antworte mir endlich – Tamara!“ Jetzt mischte sich Julian ein, er

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