Ruf der Geister (German Edition)
Ina antwortete, aber da Joshua noch bis zum Jugendamt laufen musste, um sein Auto zu holen, hatte er es nicht eilig. Als der erlösende SMS-Ton kam, langte er trotzdem viel zu rasch in seine Manteltasche und ließ das Handy fast in den Schnee fallen.
Ja. Irgendwie wusste ich, dass du mich brauchst.
Kurz dachte Joshua an Julian, aber der hatte ihm versichert, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren. Sollte er Björn Bescheid geben? Da Joshua keine Ausrede einfiel, beließ er seinen Chef in dem Glauben, er sei noch auf dem Präsidium.
Kurze Zeit später hastete Joshua die Treppen zu Inas Wohnung hinauf. Sie erwartete ihn bereits. Heute war sie auf dezente Weise gestylt und trug einen Rock, den er eher an einer irischen Fahrenden vermutet hätte. Zu Ina passte dieses Outfit, wie die Maus zum Käse. Ihre grü nbraunen Augen waren mit Kajal betont und an ihrem Blick erkannte er, dass sie wusste, was er von ihr wollte.
Joshua presste die Lippen zusammen. „Ich brauche gar nicht zu fragen, oder?“
Ina schüttelte den Kopf. „Nein, Schätzchen, ich habe es schon vorbereitet. Wen willst du rufen?“
„Ich habe nur zu einem Opfer keinen Kontakt gehabt.“
Ina sah ihn mit blitzenden Augen an. „Zu der Frau aus deinem Traum.“
„ Genau.“
„Was ist eigentlich mit deiner Stirn passiert? Hattest du einen Unfall?“
„Eher einen Streit.“
„Du willst mir doch nicht etwa erzählen, du hättest dich geprügelt?“ Ina versuchte vergeblich, sich ein Grinsen zu verkneifen.
„Na ja, mehr oder weniger. Ich hatte Probleme mit dem Vater eines Schützlings.“
Sie musterte ihn mit einem Stirnrunzeln. „Das ist nicht gut“, murmelte sie, wischte jedoch ihre Bedenken beiseite und sagte: „Ich werde den Schutz der Wohnung aufheben und versuchen, den Geist unter Kontrolle zu halten.“
Joshua schüttelte den Kopf. „Nein, keine Kontrolle de inerseits, Ina. Ich werde das allein durchziehen.“
Voller Sorge betrachtete sie ihn. „Du weißt, dass es gefährlich ist“, flüsterte sie.
„Ich kenne Geister lange genug.“
„Gut, ich lasse dir freie Hand. Aber sei vorsichtig!“
Ina führte Joshua in einen besonderen Wohnbereich. Engelfiguren standen auf den Regalen, als sollten sie das Zimmer bewachen. Die Wandfarbe ähnelte einem Sonnenuntergang und tauchte alles in ein warmes Orange. An den Wänden waren kunstvolle Zeichen aufgemalt. In der Mitte stand ein niedriger Tisch, um den Ina Sitzkissen drapiert hatte. Der Geruch, mit dem sie den Raum beräucherte, nahm Joshua fast den Atem.
Ina schloss die Tür, kippte aber das Fenster. „Es ist nur symbolisch, aber nun ja …“, erklärte sie.
Sie setzten sich an den Tisch, auf dem bereits ein Witchboard lag.
„Ich brauche kein Hexenbrett, Ina.“
„Aber ich. Ich will die Geister nicht so nah an mich heranlassen. Und manche kommunizieren lieber über das Brett.“
„Du hast mir nie gesagt, ob du sie siehst.“ Ina war ein starkes Medium, das die Gabe trug, Geister zu kontrolli eren. Aber inwieweit man seine und ihre Fähigkeiten vergleichen konnte, wusste er nicht. Dabei kannten sie sich seit Jahren. Er hatte sie damals auf einem spirituellen Treffen kennengelernt, zu dem er sich durchgerungen hatte. Joshua war niemals wieder dort erschienen, aber Ina war ihm eine Vertraute geworden und dafür war er zutiefst dankbar. Sie sah die Dinge oft klarer als er.
Ina blickte auf. „ Ich sehe sie, aber nicht so wie du, Josh. Ich kenne niemanden, der sie auf diese extreme Art wahrnimmt.“
Ihre Antwort erschreckte Joshua tief im Innern, trot zdem kommentierte er ihre Worte nicht.
„Beginnen wir.“
„Wo wurde sie ermordet? Brauchst du eine Verbindung?“
„Ich werde sie finden, Ina.“
Joshua nahm ihre dargebotene Hand und schloss die Augen. Er wusste nicht wie, doch er konnte innerlich zur geistigen Welt Kontakt aufnehmen, wenn Ina ihn leitete.
Die Dunkelheit, die er hinter seinen geschlossenen Lidern wahrnahm, wandelte sich rasch in seltsame Muster, die Joshua ignorierte. Er kannte ihren Namen nicht, sondern nur ihr Gesicht. Konzentriert ließ er die Bilder seines Traums vor seinem inneren Auge auferstehen, griff nach ihnen und hielt sie fest. Aus weiter Ferne ertönte ein Schrei, beirren ließ sich Joshua davon nicht.
Ich zwinge dich nicht! Aber wenn du willst, dass wir deinen Mörder finden, dann hilf mir!
Als er die Augen öffnete, erschauerte Joshua. Ina war in leichte Trance verfallen und umklammerte seine Hand, die über dem
Weitere Kostenlose Bücher