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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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bildeten. Pastellgelbe Rosen rankten sich an den goldfarbenen Backsteinen hinauf, der Himmel war tiefblau und wolkenlos, und der von Süden wehende Wind brachte den Duft von Lavendel mit. Jeanne sah sich in einem ihrer Lieblingskleider den vertrauten Weg durch den Sommergarten zur Kapelle schlendern. Plötzlich änderte sich das Bild, und sie stand in Schottland vor dem Haus ihrer Tante. Niemand reagierte auf ihr verzweifeltes Klopfen, und sie empfand das gleiche Gefühl der Verlorenheit, das sie in der Realität empfunden hatte.
    Ein leises Geräusch ließ sie unruhig werden, und sie drehte und wendete sich, bis der eine Arm angewinkelt unter dem Kopfkissen lag, der andere auf der bestickten Decke.
    Eine zarte Berührung weckte sie, doch sie hielt die Augen geschlossen. Eine Hand glitt von ihrer Schulter über den Ellbogen abwärts und schloss sich dann locker um ihr Handgelenk. Sie wehrte sich nicht.
    »Du solltest nicht hier sein«, flüsterte sie.
    Douglas antwortete nicht, aber sie wusste, dass er nicht gehen würde. Solange sie die Augen nicht öffnete, musste sie ihn nicht fortschicken. Sie konnte sich vormachen, dass er der Jüngling war, der ihr Herz und ihren Körper erweckt hatte, der sie die Leidenschaft gelehrt hatte, mit dem sie debattieren und streiten konnte und Ideen austauschen, als wären sie kostbare Schätze, die es eingehend zu untersuchen galt.
    Sie rührte sich nicht. Die Erwartung des Kommenden machte ihr das Atmen schwer. Langsam strich sie mit der Hand über die Decke, ertastete im Geist die gestickten Bilder darauf. Eine Rose, ein Blatt, ein Singvogel …
    Sprich mit mir. Bitte sprich mit mir, damit ich weiß, dass du wirklich da bist und nicht nur wieder ein Traum.
    Bitte sei wirklich da.
    Die Nonnen im Kloster waren nicht nur kläglich gescheitert mit ihren Versuchen, ihr die Liebe zu Douglas auszutreiben – sie hatten sie sogar dazu gebracht, noch stärker daran festzuhalten.
    Jeanne hörte das leise Rascheln von Stoff und fragte sich, ob Douglas seine Kleider ablegte. Als sie spürte, dass er sich auf der Bettkante niederließ, streckte sie die Hand aus – und berührte eine nackte Hüfte. Jeanne zuckte zurück, als hätte sie sich verbrannt, doch dann wagte sie sich wieder vor, gestattete ihren Fingern, ihn zu erforschen.
    Er fing ihre Hand ein, hob sie hoch und drückte einen Kuss hinein, wie er es damals ungezählte Male getan hatte. Jeanne stockte der Atem.
    Berühr mich.
Wie gerne hätte sie es ausgesprochen.
Berühr mich, Douglas, und mach mich vergessen.
Sie nahm ihn bei den Schultern und zog ihn sanft zu sich herunter.
    Eine Weile lagen sie schweigend da. Jeanne hielt ihn mit geschlossenen Augen in den Armen, lauschte seinen Atemzügen, spürte seine Wange an der ihren und seine Haut unter ihren Händen. Wie oft hatte sie sich genau diesen Augenblick gewünscht? Wie oft war sie nachts aus Träumen von ihm erwacht und hatte sich nach seiner Berührung gesehnt?
    Bitte lass es nicht wieder nur ein Traum sein.
    Nein, es war kein Traum. Sie spürte Douglas’ Herz schlagen, das Kratzen seiner Bartstoppeln und die Schwielen an seinen Händen. So wirklichkeitsgetreu hatte sich der Geliebte in ihren Träumen nie angefühlt.
    Wenn sie die Macht über die Zeit besessen hätte, hätte sie sie in diesem Augenblick angehalten.
    Douglas richtete sich auf und legte die Hand an ihre Wange, eine vertraute Geste, die viele Erinnerungen weckte.
    »Weinst du?«, fragte er leise.
    Jeanne nickte nur. Sprechen konnte sie nicht, dazu stürmten zu viele Gefühle auf sie ein. Bedauern und Staunen, Kummer und Freude. Er war gekommen, um sie zu verführen. Stattdessen hatte er sie zum Weinen gebracht.
    Jahrelang hatte man ihr eingebleut, dass ihre Seele unrettbar verloren war, dass der Höllenschlund nur darauf wartete, sie zu verschlingen. Sie hatte vor ihren Anklägerinnen gestanden und sich jeglicher Sünde schuldig bekannt, deren sie sie bezichtigten, akzeptiert, dass sie besudelt und fehlbar war.
    Und nun war die Versuchung zu ihr gekommen, wartete darauf, dass sie ihr widerstand. Aber wie konnte sie ihr Verlangen verleugnen? Oder ihre Einsamkeit? Wie konnte sie ihn zurückweisen?
    Jeanne öffnete die Augen, nahm Douglas’ Gesicht in die Hände und starrte ihn an, als könnte sie in der Dunkelheit sehen. Hätte sie sprechen können, hätte sie ihm gesagt, was für ein attraktiver Mann aus ihm geworden war. Der Jüngling war bezaubernd gewesen, aber der Mann raubte ihr den Atem.
    Das unverhoffte

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