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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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entscheidend im Leben: Einkommen, Beziehungen, Erbe.«
    »Ich bin dazu erzogen worden, genau das zu glauben, aber ich habe feststellen müssen, dass man sich darauf nicht verlassen kann. Heute habe ich kein Erbe mehr, keine Beziehungen, und mein einziges Einkommen werde ich Euch verdanken.« Sie lächelte ihn an. »Was bleibt also noch außer Liebe?«
    »Muss ich ein schlechtes Gewissen haben wegen der letzten Nacht?«, fragte er aus heiterem Himmel.
    Jeanne legte ihr Besteck hin, griff nach der auf ihrem Schoß liegenden Serviette und drehte sie in den Händen, bis sie ihrer Stimme wieder traute. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und antwortete äußerlich gefasst: »Nein. Ihr habt mir ja keine Gewalt angetan.«
    Sie hielt seinem Blick stand, entschlossen, nicht als Erste wegzusehen. Als er es schließlich tat, war sie wie erlöst und schaute auf ihren Teller.
    »Bedeutet das, Ihr wäret an einer Wiederholung interessiert?«
    Wie brachte er es fertig, so völlig leidenschaftslos darüber zu sprechen? Der Douglas aus ihrer Jugend war ein impulsiver, beinahe ungestümer Jüngling gewesen. Er wollte die ganze Welt sehen und sie auf eine Art erobern, wie seine Brüder es nicht getan hatten. Scheinbar hatte er diesen Plan in die Tat umgesetzt – und sich auf dem Weg dorthin zu einem Souveränität ausstrahlenden Mann entwickelt. Es machte sie wütend, dass das Leben ihn im Unterschied zu ihr offenbar in keiner Weise gebeutelt hatte. Aber Männer hatten es ja allgemein leichter als Frauen.
    »Wenn Ihr wünscht«, antwortete sie im selben sachlichen Ton.
    Einem flüchtigen Beobachter wäre er sicher nicht aufgefallen, doch Jeanne entdeckte einen Hauch von Röte auf seinen Wangen.
    Dieses Zeugnis eines Gefühls machte ihn ihr gleich und das Essen plötzlich wohlschmeckend.
    »Was habt Ihr getan, dass Euer Vater Euch ins Kloster schickte?«
    Sie hatte sich geirrt – sie waren überhaupt nicht gleich. Er war ihr überlegen. Jeanne nippte an ihrem Wein, um Zeit zu gewinnen. Was würde Douglas wohl sagen, wenn sie die Wahrheit sagte?
Ich war schwanger von dir geworden und damit in seinen Augen zur Hure.
So hatte ihr Vater sie genannt.
    Die Monate in Vallans waren von Kummer, Sorge und Furcht erfüllt gewesen. Sie erinnerte sich, wie sie die Hände auf ihren gewölbten Leib gelegt und sich ein Leben von ihnen drei als Familie ausgemalt hatte. Aber Douglas war verschwunden.
    Von dem Augenblick an, als sie erfuhr, dass sie ein Kind erwartete, hatte ihr Körper nicht mehr ihr allein gehört. Ein anderes Lebewesen teilte ihn mit ihr, veränderte seine Form, bestimmte ihre Launen und Wünsche. Sie war eher ein Gefäß für das Kind als eine eigenständige Persönlichkeit, eine Erkenntnis, die gleichermaßen Beunruhigung und Ehrfurcht in ihr weckte.
    Als man ihr das Kind am Tag der Geburt wegnahm, verlor sie einen Teil von sich.
    Doch all das würde sie für sich behalten, Douglas’ Spiel weiterspielen. »Ich hatte ihn enttäuscht«, sagte sie. Mehr bekäme er nicht von ihr zu hören.
    Douglas senkte den Blick und verfiel in Schweigen. Der Jüngling von damals war so durchschaubar gewesen – der Mann von heute gab ihr Rätsel auf.
    »Und was habt Ihr in der Zeit getan, die ich im Kloster zubrachte?«, fragte sie scheinbar leichthin.
    »Meine Tochter aufgezogen.« Knapp, beinahe frostig.
    Er stand auf und verbeugte sich. »Wenn Ihr mich entschuldigen wollt – ich habe mich gerade erinnert, dass mich dringende Pflichten erwarten.« Sprach’s und ging.
    Perplex starrte Jeanne auf die Tür, die sich leise hinter ihm geschlossen hatte.

Kapitel 15
    A n diesem Abend saß Jeanne im Nachthemd am Fenster und wartete. Sollte sie Douglas entgegengehen, wenn er käme, oder ihm schweigend vom Sessel aus entgegenblicken? Die Hände gefaltet, beobachtete sie die tanzenden Schatten, welche die Kerzenflamme an die Wände des luxuriös ausgestatteten Gästezimmers warf.
    Das rote chinesische Lackschränkchen mit den beiden blau-weißen chinesischen Porzellanvasen zierte ein schwarzer, aufgemalter Drache. Die Bettvorhänge waren aus roter Seide, in der Mitte der weißseidenen Tagesdecke prangte ein gestickter roter Drache. Die Möbel waren französisch mit geschwungenen, geschnitzten Beinen und Klauenfüßen. In einer Ecke stand ein Schreibtisch, in der gegenüberliegenden ein Handwaschbecken, neben dem auf einem Silbertablett Talkumpuder, Seife und Zahnputzpulver lagen.
    Ein reizendes Zimmer, aber ohne Douglas fühlte sie sich hier ebenso

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