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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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denen ein Tisch stand, dessen Platte ein kauernder Löwe trug. Auf dem Marmor stand ein weiterer mehrarmiger Leuchter.
    Jeanne erhob sich langsam und schlenderte zum Kamin.
    Über der Einfassung hing das Porträt eines kleinen Mädchens. Der Künstler hatte sie lächelnd eingefangen, fast so, als könne sie sich nur mit Mühe beherrschen, nicht in Gelächter auszubrechen. Die Augen blitzten verschmitzt, das Haar fiel in Ringellocken auf die Schultern. In einer Hand hielt sie einen Korb, aus dem spitze Öhrchen und runde Augen hervorlugten. Ein Kind und sein Kätzchen.
    Jeanne merkte, dass sie lächelte. Dann wurde ihr plötzlich klar, dass das Kind auf dem Bild Douglas’ Tochter Margaret sein musste, und es gab ihr einen Stich. Das kleine Mädchen hatte das gleiche schwarze Haar, die gleichen blauen Augen und das gleiche Kinn. Sie glich Douglas sogar darin, wie sie den Kopf neigte.
    Jeanne dachte an ihre Tochter, erinnerte sich, wie sie über die Vollkommenheit des winzigen Wesens mit dem runzligen Gesicht in ihrem Arm gestaunt hatte.
    Die Hebamme jedoch hatte eine Unvollkommenheit entdeckt und sie in gehässigem Ton verkündet: »Sie hat ein Mal am Bein! Ein Teufelsmal, das beweist, dass sie in Sünde empfangen wurde.«
    Keine der anwesenden Dienstboten hatte die Frau für ihre Worte getadelt, was deutlich zeigte, dass sie ihre Meinung teilten, aber Jeanne ließ sich ihre Verzauberung davon nicht beeinträchtigen. Ja, ihre Tochter hatte tatsächlich ein kleines, halbmondförmiges, dunkelrotes Mal am Bein – aber in Jeannes Augen war es keine Verunstaltung, sondern vielmehr eine Besonderheit.
    Während Jeanne zu Margarets Bild hinaufblickte, wurde das Entsetzen lebendig, das sie damals an jenem Morgen gepackt hatte. Sie war das Wunder, das sie und Douglas vollbracht hatten, kaum gewahr geworden, als Justine ihr das Kind wegnahm, es in ein Tuch wickelte und das Zimmer verließ. Jeanne schrie sich die Kehle heiser, bis die Hebamme sie zwang, einen Trank zu sich zu nehmen.
    So viele Jahre waren seitdem vergangen, doch Jeanne empfand in diesem Augenblick genau die gleiche Hilflosigkeit. Die Tränen ließen sich kaum noch zurückhalten, ihr Herz klopfte wie wild, und das Atmen wurde ihr schwer. Mit den schleppenden Schritten einer alten Frau ging sie zum Fenster und schaute, um Fassung ringend, hinaus.
    Als sie ein Geräusch hinter sich hörte, blickte sie über ihre Schulter und sah Betty hereinkommen. Jeanne nickte zu dem Porträt hinüber. »Kanntet Ihr die Mutter?« Plötzlich wollte sie unbedingt etwas über Douglas’ verstorbene Ehefrau erfahren.
    Als Betty nicht antwortete, drehte Jeanne sich zu ihr um.
    »Nein, ich kannte sie nicht, Miss – und auch sonst niemand vom Personal«, sagte das Kindermädchen zögernd. »Aber nach den Geschichten, die ich ihn Miss Margaret erzählen höre, hat er sie sehr geliebt.«
    Jeanne strich unnötigerweise über ihr Haar und ihr Kleid und rang sich ein Lächeln ab. »Danke, Betty«, sagte sie äußerlich gelassen. »Ich hätte nicht fragen sollen.«
    Die junge Frau nickte. »Mr. Douglas hat uns angewiesen, Euch in seiner Abwesenheit wie einen geschätzten Gast zu behandeln. Es soll Euch an nichts fehlen.«
    Es war verführerisch, Douglas’ fürsorgliche Anordnung als Liebesbeweis zu deuten, aber Jeanne kämpfte mit aller Kraft gegen die Versuchung an.
     
    Charles Talbot machte sich mit dem reparierten Besteck auf den Weg zu den Hartleys. Er hoffte inständig, dass die Haushälterin seine beigelegte Rechnung sofort begleichen würde.
    Doch der wichtigste Grund für seinen Besuch war ein Gespräch mit der Tochter des Comte. Mit etwas Glück könnte er sie überreden, ihm zu gestatten, den Rubin für sie zu verkaufen, ohne ihren Vater einzubeziehen.
    Talbot hatte vor fünf Jahren eine hübsche Witwe geheiratet, die ebenso bezaubernd wie reich war. Als sie vor einem Jahr überraschend starb, glaubte er ein reicher Mann zu sein, doch ihr Anwalt hatte ihn eines Besseren belehrt.
    »Ihr seid in ihrem Letzten Willen nicht aufgeführt«, hatte er Charles mit schlecht verhohlener Genugtuung eröffnet.
    »Ich war ihr Ehemann«, hatte er aufbegehrt.
    »Die Verstorbene hat ihren gesamten Besitz ihrer Schwester hinterlassen.«
    »Das kann sie doch nicht tun!«, erregte Charles sich, aber zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass sie es sehr wohl konnte.
    Die letzten Jahre waren keine fetten gewesen. Angesichts des Zustroms französischer Emigranten hatte er nicht mehr die

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