Ruf der Sehnsucht
gewohnten Preise für seine Entwürfe verlangen können. In der Folge musste er zwei seiner Lehrlinge entlassen und behielt den dritten nur halbe Tage. Aber wenn er nicht bald irgendwoher Geld bekäme, wäre auch diese Regelung nicht aufrechtzuerhalten.
Der Somerville-Rubin könnte seine Rettung sein.
Da er du Marchand jedoch nicht über den Weg traute, hatte er sich entschlossen, das Geschäft lieber mit der Diebin zu machen.
Auf sein Klopfen öffnete ihm ein junges Mädchen mit einem weißen Häubchen.
Er erklärte ihr den offiziellen Grund seines Kommens und wurde zur Haushälterin geführt. Nachdem er ihr das Besteck übergeben und sie, mit seiner Arbeit zufrieden, prompt bezahlt hatte, wandte er sich an das junge Dienstmädchen, das ihn zur Haustür begleitete.
»Ist Miss du Marchand zu sprechen?«
Im ersten Moment irritiert, antwortete sie: »Oh, tut mir leid, Sir. Sie arbeitet nicht mehr hier. Sie ist gegangen.«
»Was meinen Sie mit ›gegangen‹?«
»Verschwunden. Bei Nacht und Nebel.« Sie blickte um sich und flüsterte ihm dann zu: »Ich habe Mr. Hartley noch nie so wütend gesehen.«
»Wo kann sie sein?«
Kopfschütteln und Schulterzucken. »Keine Ahnung.«
War der Comte ihm zuvorgekommen? Charles beschloss, trotz seiner prekären finanziellen Lage etwas zu investieren. »Hier, nehmt.« Er lächelte das Mädchen an. »Wenn Ihr etwas von ihr hört, lasst es mich wissen – dann bekommt Ihr noch eine Münze.«
Sie knickste mit großen Augen. »Das mache ich, Sir. Versprochen.«
Er nannte ihr seinen Namen und seine Adresse und verließ frustriert das Haus. Jetzt musste er nicht nur den Somerville-Rubin finden, sondern auch noch die Tochter des Grafen.
Kapitel 17
D er Himmel war tiefblau und wolkenlos, und der kräftige Wind trieb das Schiff vor sich her nach Gilmuir. Douglas stand am Bug und war, wie jedes Mal, wenn das von seinem Bruder Alisdair wieder aufgebaute Castle in Sicht kam, tief beeindruckt. Größer als ursprünglich, nahm der mehrtürmige Backsteinbau die gesamte Breite des in den Loch Euliss ragenden Kaps ein, auf dem früher neben dem alten Castle auch noch ein englisches Fort gestanden hatte, und an der Spitze der Halbinsel thronte, auf den See blickend, das Priorat mit seinen berühmten Rundbögen und farbigen Glasfenstern.
Vor sechs Jahren hatten sie dort den Gedenkgottesdienst für ihre Eltern abgehalten. Alle fünf Brüder waren da gewesen, erwachsene Männer, aber im Herzen verlassene Kinder.
Gilmuir von Edinburgh aus auf dem Landweg zu erreichen dauerte drei Tage, durch den Firth dagegen nur einen Tag, doch selbst der erschien Douglas endlos, denn wohin seine Gedanken auch wanderten, sie landeten immer bei Jeanne. So auch, als er die Erinnerung an seinen ersten Besuch auf Gilmuir heraufbeschwor. Siebzehn war er damals gewesen und todunglücklich. Er hatte von Justine, der Hausdame des Grafen, erfahren, dass Jeanne schwanger war, und wollte sie entführen, aber das musste er sich aus dem Kopf schlagen.
In seiner Verzweiflung hatte er sich seinen Eltern anvertraut, und diese hatten seine Brüder informiert. Wie stets hielten die MacRaes zusammen – wenn einem von ihnen etwas Schlimmes widerfuhr, empfanden auch alle anderen den Schmerz –, und ein paar Wochen später verließ Douglas Gilmuir mit seinem Bruder Hamish und dessen Frau Mary, entschlossen, so bald wie möglich nach Frankreich zurückzukehren.
Die Beine gespreizt, um das Rollen des Schiffes auszugleichen, die Hände auf dem Rücken, stand Douglas auf dem Deck der
Edinburgh Lass,
einem Schiff seiner Kauffahrer-Flotte, von Alisdair entworfen und auf der MacRae-Werft gebaut, und ließ seinen ersten und letzten Besuch in Vallans noch einmal lebendig werden.
Sieben Monate, vier Tage und drei Stunden, nachdem er sich geschworen hatte, nach Frankreich zurückzukehren, hatte er auf dem Landschloss der du Marchands erfahren, dass Jeanne fort war. Eine Woche lang versuchte er herauszufinden, was aus ihr und dem Kind geworden war. Schließlich fand sich ein junger Stallbursche angesichts einer beträchtlichen Bestechungssumme bereit, ihm zu offenbaren, was er gesehen und gehört hatte. Demnach war Jeanne eine Woche zuvor gegen ihren Willen mit der Kutsche fortgebracht und das Kind in die Obhut einer Waldarbeiterfamilie in der Nähe gegeben worden.
Die Umstände, in denen Douglas seine Tochter vorfand, waren unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt. Die Hütte des Holzfällers stand am Waldrand von
Weitere Kostenlose Bücher