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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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legte die Hand auf das Knie des Mädchens. »Ich bin sicher, dass deine Mutter sich daran erinnert«, antwortete sie. »Und ich bin sicher, dass sie dich sehr vermisst.«
    »Wirklich?«
    Jeanne nickte.
    »Als ich das letzte Mal in Leith war, hatte Papa einen Stoff aus Indien da. Er war weiß und durchsichtig und mit Glitzerplättchen bestickt. So stelle ich mir Engelflügel vor.« Zu Jeannes Erleichterung hatte Margarets Miene sich ein wenig aufgehellt. »Vielleicht ist er noch nicht verkauft. Dann könnt Ihr ihn Euch morgen ansehen.«
    »Das Lagergeschäft scheint ein profitables zu sein«, ging Jeanne erleichtert auf das neue Thema ein. Sie wollte wirklich nichts mehr über die Frau hören, die Douglas noch heute traurig werden ließ.
    Wie ungeheuerlich, eifersüchtig auf eine Tote zu sein.
    »Das muss es wohl. Ich habe gehört, wie Tante Iseabal sagte, Papa wäre der begehrteste Witwer von Edinburgh.«
    Von einem heiklen Thema zum nächsten – Jeanne war vom Regen in die Traufe gekommen.
    Sie stand auf und strich die Stellen an ihrem Rock glatt, in die sie ihre Finger gekrallt hatte. Obwohl sie nichts mehr von heiratswilligen Frauen oder Margarets Mutter hören wollte, ertappte sie sich dabei, noch eine weitere Frage zu ihr zu stellen. »Bist du nach ihr genannt? Nach deiner Mutter, meine ich.«
    Margaret schüttelte den Kopf. »Nein. Nach meiner Tante Mary. Sie heißt mit zweitem Namen Margaret. Mein erster Name ist Mireille, aber den können die meisten Leute nicht aussprechen.«
    »Mireille ist das französische Wort für Wunder.«
    Margaret nickte. »Ja. Ist das nicht hübsch? Papa sagt, er hat mich so genannt, weil ich ein Wunder war.« Sie stand ebenfalls auf und fuhr mit den Händen an ihrem Rock hinunter. »Ich wäre fast gestorben, als ich noch ganz klein war. Es sah aus, als würde ich nicht überleben. Aber ich schaffte es, und darum nannte er mich ›Wunder‹.«
    »Ein schöner Name«, sagte Jeanne. Und Margaret war ein schönes Kind. Und ein bezauberndes. Sie wurde geliebt, und Douglas war ein engagierter, liebevoller Vater.
    Sie sollte nicht neidisch sein und auch nicht den Tränen nahe. Solche Regungen waren töricht – genauso wie es der Wunsch war, dass ihr Kind am Leben geblieben wäre. Bedauern würde nur den Tag vergiften.

Kapitel 25
    D ouglas hatte bisher geglaubt, genügend Selbstvertrauen zu besitzen, um Prahlerei nicht nötig zu haben, doch nun ertappte er sich dabei, seinen besten Landauer bereitmachen zu lassen. Seit Jeanne ihn über ihre Vereinbarung mit Margaret informiert hatte, war er mit der Vorbereitung für diesen Ausflug beschäftigt gewesen. Die Fahrt nach Leith war weder lang noch beschwerlich, und ohne weiteres hätte es auch eine einfachere Kutsche getan. Aber er wollte Jeanne beeindrucken – noch ein Beweis dafür, dass er dabei war, den Verstand zu verlieren.
    Immer wieder hatte er im Schulzimmer vorbeigeschaut. Nur zur Sicherheit, redete er sich ein, denn schließlich hatte das junge Mädchen Jeanne ihrem Kind nach der Geburt herzlos den Rücken gekehrt. Doch die Gouvernante Jeanne schien aufrichtige Zuneigung für Margaret zu empfinden.
    Sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, diese zwei Seiten von Jeannes Charakter unter einen Hut zu bringen.
    Die Jeanne aus seiner Jugend entsprach zwar in vielerlei Hinsicht der Frau, zu der sie inzwischen geworden war, doch es gab Diskrepanzen, die ihn nächtens keinen Schlaf finden ließen.
    Wer war Jeanne du Marchand?
    Das Mädchen aus seiner Erinnerung hatte alles wissen wollen, sich ehrlich für sein Studium interessiert, und sie hatten leidenschaftlich über Immanuel Kant und andere Philosophen diskutiert. Die heutige Jeanne war bedächtiger, aber ebenso neugierig. Er hatte entdeckt, dass sie sich einige Bücher aus der Bibliothek geliehen hatte, und zwar zu Themen, über die er gerne mit ihr debattieren würde.
    Die jüngere Jeanne war leidenschaftlich gewesen in ihrer Liebe. Das war die jetzige auch, aber da war ein trauriger Zug um ihre Augen, der nie ganz verschwand.
    Manchmal, wenn auch nicht oft genug für seinen Geschmack, bewies sie einen ganz speziellen Sinn für Humor, ein Vergnügen an Absurdem, den er schon damals an ihr geliebt hatte.
    Was ihm am meisten Kopfzerbrechen bereitete, war die Widersprüchlichkeit ihrer Handlungen – das eine erschütternde Gleichgültigkeit beweisende Verlassen ihres neugeborenen Kindes und die Herzlichkeit und Fürsorge, die sie im Umgang mit Margaret an den Tag legte.

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