Ruf der verlorenen Seelen
drauf?«
»Ja«, stimmte er überschwänglich zu. »Deshalb war ich ja
auch so neidisch. Ich wär lieber selbst derjenige gewesen, der
tote Tiere findet. Du warst so was wie ein Tier-Detektiv. Schräg
war es nur deshalb, weil du ein Mädchen warst.« Er grinste.
»Aber darüber hab ich mit der Zeit hinweggesehen, weil man
mit dir immer so krasse Abenteuer erleben konnte.«
Lächelnd atmete Violet auf. Sie wusste, dass er die Wahrheit
sagte. Welcher kleine Junge hätte es nicht toll gefunden, durch
den Wald zu streifen und in der Erde zu buddeln?
Sie nahm einen neuen Anlauf. »Hast du irgendwem davon
erzählt? Weià deine Mutter Bescheid?«
Er führte ihre Hand an seinen Mund und streichelte ihre
Finger mit den Lippen. Er schaute sie an. »Nein«, sagte er felsenfest.
»Ich schwöre, dass ich es keinem gesagt habe, nicht
mal ihr. Ich glaube, sie ahnt etwas, oder jedenfalls denkt sie, du
musst riesiges Pech haben, weil du die toten Mädchen gefunden
hast.« Er senkte die Stimme. »Nach der SchieÃerei letztes Jahr hat sie sich echt Sorgen gemacht. Du bist für sie wie eine
Tochter.« Er beugte sich zu ihr. »Das macht es natürlich ein
bisschen unheimlich, wenn ich solche Sachen mache.«
Er küsste sie, ein inniger Kuss. Nicht zart und vorsichtig,
sondern so tief und leidenschaftlich, dass er ihr den Atem
raubte. Sie legte die Hand auf seine Brust und genoss das Gefühl
seines Herzschlags unter der Hand, dann fuhr sie mit den
Fingerspitzen über seinen Hals und in sein Haar.
Er zog sie zu sich herüber auf seinen SchoÃ. Ungeduldig
streichelte er ihren Rücken, zog sie ganz fest an sich.
Es war fast unmöglich, sich loszureiÃen. »Warte«, sagte sie
atemlos. »Bitte warte.« Sie stemmte die Hände gegen seine
Schultern, es war eher ein Kampf mit sich selbst als mit ihm.
Spöttisch sah er sie an. »Ich dachte, ich bin der Neinsager
von uns beiden. Ich bin doch das Mädchen.«
Sie atmete schwer, lehnte den Kopf an seine Schulter und
versuchte, ihre Gedanken zu zügeln. Sie wollte immer noch mit
ihm reden. Das andere wollte sie auch, aber erst mal brauchte
sie Ordnung in ihrem Kopf.
»Entschuldige, ich hab so viel â¦Â« Sie zuckte die Schultern.
Sein T-Shirt war feucht und hauchdünn, es war so verführerisch,
ihn zu berühren. Sie lieà die Finger über seinen Bauch
gleiten. Sie wollte ihn nicht anmachen, aber er war einfach unwiderstehlich.
»Ich muss erst mal einiges klären.« Etwas Besseres
fiel ihr nicht ein.
Er fasste ihre Hand über der Gürtellinie und hielt sie ganz
fest. »Ich versuche wirklich Geduld zu haben, Violet. Wenn du
mir irgendwas sagen möchtest ⦠vertrau mir einfach.«
»Tu ich ja«, sagte sie. »Ich werd dir alles erzählen. Jetzt gerade
bin ich nur etwas durcheinander.«
Er atmete zittrig aus und küsste sie aufs Haar, ohne ihre
Hand loszulassen. »Wenn du soweit bist, machen wir da weiter,
wo wir aufgehört haben, okay?«
Sie nickte. Eigentlich wollte sie weiterreden, sie war immer
noch so unsicher, was sie tun sollte.
Doch sie blieb einfach, wo sie war, auf seinen Schoà gekuschelt.
Sie genoss seine Nähe und entspannte sich unter seiner
Berührung. Sie schöpfte Kraft daraus, dass er da war.
16. Kapitel
Du siehst ja wild aus«, sagte Chelsea zu Violet und holte
sie im Flur ein. »Ich hab gehört, dass du zur ersten Stunde
nicht da warst, ich dachte schon, du machst heute blau.«
»Vielen Dank, Chels«, sagte Violet gereizt. »Ich hab verschlafen
und musste gegen sämtliche Tempolimits verstoÃen,
um wenigstens zur zweiten rechtzeitig zu kommen.«
Chelsea schnitt eine Grimasse. »Ich bitte dich, du fährst wie
meine Oma! Du hast bestimmt kein Tempolimit überschritten.«
Violet konnte nicht lügen. »Okay, hab ich nicht. Aber ich
hab mir selbst eine Entschuldigung geschrieben.«
»Aber nur, weil deine Mutter es dir erlaubt hat. Hast du geschrieben,
dass du Dünnpfiff hattest?«
»Nein, nur dass ich verschlafen hab.«
»Du hättest Dünnpfiff schreiben sollen. Oder wenigstens
Unterleibschmerzen, dann bräuchtest du nicht beim Sport mitmachen.
So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe.«
Violet lachte, obwohl ihr der Schädel brummte. »Du bist ein
echtes Mädchen.«
Da stieà Chelsea sie an und zeigte auf Mike, der gerade auf
sie zukam.
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