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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derting Kimberly
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Gefahr.
    Das Echo machte ihr keine Angst, dieses Echo nicht. Zwar
merkte sie an dem Ziehen, dass ein totes Wesen zu ihr sprach.
    Aber es fühlte sich anders an als sonst, und auf einmal wusste
sie auch, warum.
    Das Wesen war schon unter der Erde. Es hatte bereits ein
Grab und ruhte in Frieden. Wie die Tiere auf Violets kleinem
Friedhof oder die Toten auf dem Friedhof, die sie damals besucht
hatte, um dort nach Hinweisen auf den Serienmörder zu suchen. Violet spürte das Echo, aber es verlangte nicht danach,
gefunden zu werden.
    Sie ging weiter, trat aus dem Schutz der Bäume und folgte
dem Geräusch.
    Das Prasseln der Regentropfen kam nicht von oben, sondern
von vorn. Es hörte sich an, als würden ganz viele Tropfen auf
große Herbstblätter fallen. Violet sagte sich, dass es nur Einbildung
war, und doch duckte sie sich instinktiv vor dem Schauer.
    Als sie an dem Wohnwagen vorbeiging, spähte sie vorsichtig
dorthin, voller Angst, dass Roger Hartman jeden Moment herausstürmen
könnte.
    Doch es blieb alles still.
    Sie wusste, dass sie jetzt nah dran war, denn das Geräusch
schwoll an, wurde gleichmäßiger. Eine feuchte Kälte umfing
sie, kroch ihr unter die Haut und in die Knochen, bis ihre Gelenke
schmerzten.
    Akustische Echos waren nicht so leicht zu orten wie Echos,
die man sehen konnte. Violet versuchte herauszufinden, wo das
Geräusch am deutlichsten war und wo es sie am meisten fröstelte.
    Sie machte eine Stelle hinter dem Wohnwagen aus, am Fuß
einer knorrigen Kiefer. In den Abendschatten wachte die Kiefer
über das Grab unter ihren stachligen Ästen.
    Violet schaute wieder zu dem Licht, das von dem abgewrackten
Wohnwagen kam, und kniete sich hin. Überall um sie
herum hörte sie den Regen prasseln und sie zitterte vor Kälte.
    Hier musste es sein.
    Die Erde war schwarz und Violet fuhr mit der Hand darüber,
sie suchte nach der richtigen Stelle. Eine innere Stimme
mahnte sie, umzukehren und Sara Priest anzurufen. Doch das wollte sie nicht. Sie konnte ja nicht mal sagen, was sie an diesen
Ort gelockt hatte. Vielleicht nur ein totes Eichhörnchen
oder eine Feldmaus. Das musste sie erst herausfinden, ehe sie
jemanden zu Hilfe rief.
    Als sie die Finger in die lockere Erde grub, die ganz anders
war als der feste Boden rundherum, wusste Violet, dass sie die
richtige Stelle gefunden hatte.
    Sie schaufelte eine Handvoll Erde heraus und versuchte, mit
den Fingern den Rand zu ertasten. Auf allen Vieren krabbelnd,
tastete sie das Grab mit den Händen ab. Sie erschrak darüber,
wie groß es war.
    Da würde ein Mensch hineinpassen.
    Sie wusste nicht, weshalb sie weitermachte, weshalb sie die
Erde herausschaufelte und die Finger tief hineingrub. Mehrmals
sagte sie sich, dass sie aufhören musste, und tat es doch
nicht. Die ganze Zeit wurde der unheimliche Regen von einem
schneidenden Wind begleitet, der für Violet ganz real war.
    Als sie etwas Glattes berührte, etwas, das unter ihren Fingerspitzen
knisterte, hielt sie inne. Was sie da gerade fühlte, war
nichts Natürliches, das hatte ein Mensch gemacht.
    Sie berührte es noch einmal, es hörte sich an wie Plastik.
    Und darunter fühlte sie etwas schrecklich Vertrautes.
    Einen Menschen.
    Der in eine Plane gewickelt war.
    Violet rappelte sich auf und fasste sich an die Brust.
    Als jemand sie mit starken Händen von hinten an den Schultern
packte, blieb ihr vor Schreck die Luft weg. Wie konnte sie
nur so dumm sein? Warum hatte sie nicht gewartet?
    Aber dann beruhigte eine leise Stimme sie. »Schsch …«
    Warmer Atem an ihrer Wange. »Alles gut, ich bin's nur.«
    Rafe!
    Schnell drehte sie sich um und fiel ihm vor lauter Erleichterung
um den Hals. »Ein Glück, dass du es bist! Bin ich froh,
dass du hier bist!« Sie klammerte sich an ihn. Endlich war sie
nicht mehr allein, jetzt konnte ihr nichts mehr passieren. Sie
fuhr mit den Fingerspitzen über seinen Nacken, und wieder
durchzuckte es sie wie ein elektrischer Schlag, genau wie damals
im Café. Und nicht nur sie. Rafe erstarrte und Violet
spürte seine Nähe auf einmal zu sehr, seine Wärme, seine Kraft
und seinen Geruch.
    Sie ließ die Arme sinken. »Entschuldige«, sagte sie mit
schreckgeweiteten Augen. Sie wollte diesen Moment so schnell
wie möglich vergessen machen. Sie hörte immer noch den
prasselnden Regen und schaute zum Grab. »Ich hab was gefunden
… jemanden gefunden.« Sie zeigte zu

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