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Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya Carpenter
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und ließ mich unter die Decke gleiten. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich tief und fest einschlief.
    Es musste kurz vor Morgengrauen sein, als ich mit dem unguten Gefühl wach wurde, beobachtet zu werden. Eine Weile blieb ich still liegen und lauschte, aber ich konnte kein Geräusch finden, dass auf die Anwesenheit einer Person deutete. Ob Armand mir eine Botschaft sandte? Ich horchte in mich hinein. Da war nichts. Ich sah mich im Zimmer um. Niemand da.
    Aber die Vorhänge am Fenster bewegten sich. Das Fenster stand einen Spalt offen. Ich hätte schwören können, dass ich es nicht geöffnet hatte. War ich so übermüdet gewesen, dass ich es unbewusst getan hatte? Oder war jemand in mein Zimmer eingedrungen und wieder verschwunden, als er merkte, dass ich wach wurde? Da ich keine Antworten auf meine Fragen fand, legte ich mich wieder hin. George würde mich sicher bald wecken, damit wir nach Montpellier fahren konnten. Aber das ungute Gefühl blieb.
    Die Fahrt nach Montpellier dauerte kaum zwei Stunden. In der Psychiatrie hatte George keine Probleme, zu dem amerikanischen Patienten gelassen zu werden. Die Ausweise der Ashera öffnen so manche Tür.
    „Du hast die Gabe des Sehens. Ich werde mich daher im Hintergrund halten. Rede mit ihm und öffne dich für jedes Bild, das du empfangen kannst. Wir können später gemeinsam entscheiden, was wichtig und was nebensächlich ist“, erklärte George mir auf dem Weg zum Krankenzimmer.
    Ich schaute ihn hilflos an. Sich Wissen anzueignen und es dann auch anzuwenden, waren zwei verschiedene Paar Schuhe. Mit klammen Händen betrat ich das Zimmer. Es war kalt – selbst für eine Klinik. Kahl und unpersönlich. Ein Einzelzimmer, damit Jonathan niemanden mit seinen wirren Fantasien störte. Wenigstens hatten sie ihn nicht in eine Gummizelle gesperrt. Außer einem Bett standen nur noch ein kleiner Schrank, ein fahrbarer Nachttisch und zwei Stühle im Raum. In der rechten Ecke führte eine Tür zu Dusche und WC.
    Der Mann saß auf einem der Stühle am Fenster und starrte auf den Klinikgarten hinaus. Er war Mitte bis Ende Dreißig, hatte volles, hellbraunes Haar und wirkte leicht untersetzt. Als ich näher trat, bemerkte ich seine verhärmten Gesichtszüge und die unnatürlich graue Farbe seiner Haut. Er stand unter enormem psychischen Druck. Vermutlich verstärkten die Ärzte den noch, weil sie seinen Ausführungen keinen Glauben schenkten. Er glaubte aber daran. Und zwar nicht, weil er verrückt war, sondern weil ihm all das unter Drogeneinwirkung tief ins Gedächtnis eingebrannt worden war. Um ihn ruhig zu stellen, hatte man ihn mit starken Betäubungsmitteln und Antidepressiva vollgepumpt. Jetzt war er wieder bei Bewusstsein, aber völlig apathisch. Ein Schatten seiner selbst. Willenlos – und hoffnungslos.
    Ich fühlte seinen Schmerz, als ich mich auf den zweiten Stuhl neben ihn setzte. Behutsam ergriff ich seine Hand. Erst erschrak er und blickte mich mit seinen braunen Augen verwirrt und ängstlich an. Dann löste sich die Spannung, und er blickte wie zuvor aus dem Fenster.
    „Jonathan“, flüsterte ich vorsichtig. Zuerst fürchtete ich, er würde mich nicht hören – sein Blick war unendlich weit fort – aber dann drückte er meine Hand. Erleichtert atmete ich die angehaltene Luft aus. „Jonathan, ich habe gehört, was Ihnen widerfahren ist, und ich würde gerne mit Ihnen darüber sprechen. Aber nur, wenn Sie meinen, dazu in der Lage zu sein.“
    Wieder verging eine Ewigkeit, ehe er reagierte. Diesmal sah er mir direkt ins Gesicht. Es lag keine Furcht in seinen Augen, sondern eine merkwürdige Ruhe. Seine Stimme klang krächzend, so als hätte er seit Wochen kein Wort gesagt.
    „Sie werden mir nicht weh tun, nicht wahr?“
    Ich war schockiert über diese Frage, denn mein Gefühl sagte mir, dass er sie nicht in Erinnerung an die Nächte im Chateau stellte. Ohne Zweifel hatte man versucht, seinen ‚verwirrten Geist’ mit Elektroschocks zu heilen. Dabei dachte ich immer, solche Methoden seien längst überholt. Ich atmete tief durch und sagte mit fester Stimme: „Nein, ich werde Ihnen ganz bestimmt nicht weh tun.“
    Er nickte kaum merklich, während er sein Gesicht wieder dem Fenster mit dem Garten dahinter zuwandte. „Was wollen Sie wissen?“
    „Erzählen Sie mir einfach, was im Chateau passiert ist. Woran können Sie sich erinnern?“
    Ein Zittern lief durch seinen Körper. Ich hatte Angst, dass ich alles nur noch schlimmer machte. Mir fehlte die

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