Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Franklin davon gewusst? Es vielleicht sogar veranlasst? Camille hatte nichts darüber in ihren Erinnerungen gehabt. Sonst wüsste ich jetzt davon. In mir drängte es danach, mehr über dieses Magister zu erfahren, doch Camilles Warnung war eindringlich genug. Ich würde weder mich noch meinen Vater unnötig in Gefahr bringen, indem ich ihn danach fragte.
Der alte Feind von dem sie sprach, konnte kein anderer sein als Margret Crest. Sie hatte die Jagd auf mich also doch noch nicht aufgegeben. Ihr plötzliches Verschwinden sollte mich nur in Sicherheit wiegen. Welche Pläne schmiedete die Hohepriesterin wohl, um mich zur Strecke zu bringen? Und wo und wann würde ihr Angriff kommen, wenn er laut Camilles Aussage schon so nahe war? Auf die zweite Gefahr konnte ich mir keinen Reim machen. Aber wenn sie ja auch noch in weiter Ferne lag, sollte mich das im Moment nicht kümmern. Meine arme, liebste Camille. Ich konnte ihre Zerrissenheit deutlich spüren. Doch ich verstand ihre Entscheidung.Sie wäre nicht geschaffen gewesen für das Leben, das ich nun führen musste. Jetzt, wo ich auch die Schattenseiten der Unsterblichkeit erkannt hatte, wusste ich das. Wenn ich noch einmal vor der Wahl stünde, ich wüsste nicht, wie ich mich entscheiden würde.
Natürlich würde ich gegenüber Franklin nichts von dem Magister sagen. Aber das Bedürfnis, ihm von dem Brief zu erzählen, wenn er ihn auch nicht selbst lesen durfte, war unerträglich stark. Wir waren beide miteinander verbunden im Schmerz über ihren Verlust. Und vielleicht würde ein Gespräch auch seinen Zorn darüber lindern, dass ich ihre Qual letztlich beendet hatte.
Ein munteres Feuer prasselte im Kamin von Franklins Privatzimmer. Die Nächte waren kühl geworden in London. Der Herbst brachte Nebel und auch schon den ersten Nachtfrost. Er hörte mich nicht eintreten, so vertieft war er in seine Lektüre. Die Flammen warfen unruhige Schatten auf sein hellblaues Baumwollhemd und die dunklere Cordhose. Ich räusperte mich, da ich es für unhöflich hielt, mich nicht bemerkbar zu machen. Der Blick, den er mir zuwarf, war noch immer getrübt von der Trauer um Camilles Tod und von Enttäuschung darüber, was ich getan hatte. Er war nicht mehr wütend. Aber er empfand es als Verrat. Das konnte er mir nicht verzeihen.
Seufzend trat ich näher und nahm ihm gegenüber im zweiten Sessel am Kamin Platz. Meine Hand glitt nachdenklich über den roten Samt der Armlehne, während ich nach den richtigen Worten suchte.
„Wusstest du von Camilles Seelentier?“, fragte ich schließlich.
„Eine Krähe. Ich habe sie nie gesehen. Aber Camille sprach von ihr.“ Seine Stimme klang distanziert und kühl.
„Sie hat eine silberblaue Feder in ihrem linken Flügel. Ich habe sie gesehen, als ich …“ Das war wohl kein guter Anfang für das Gespräch. Ich bemerkte meinen Fauxpas leider zu spät. Franklin erhob sich und stellte das Buch wieder ins Regal.
„Du gehst jetzt besser, Mel. Sicher musst du noch …“
Auf die Jagd, hatte er sagen wollen, doch er brachte es nicht über die Lippen.
„Soll das jetzt bis in alle Ewigkeit so weitergehen, Dad? Dass wir unsere Sätze nicht zuende sprechen, eine innere Distanz zueinander wahren? Ich bin hergekommen, um dir von einem Brief zu erzählen, den mir Camilles Krähe gebracht hat.“
Er drehte sich überrascht um. „Ein Brief? Von einem Seelentier?“
Zu meiner Erleichterung schien ich damit sein Interesse zu wecken. Wenigstens für den Moment war der Vorwurf aus seinem Blick verschwunden. Ich erzählte ihm von Camilles Warnung vor einer Gefahr aus meiner Vergangenheit. Auch Franklin dachte als erstes an Margret, doch dann kam ihm noch ein weiterer Gedanke.
„Du hast mir nicht allzu viel über das erzählt, was damals geschehen ist, als du fortgelaufen und wochenlang spurlos verschwunden warst. Aber könnte diese zweite Gefahr nicht auch damit zusammenhängen? Mit Armands Dunklem Vater Lemain?“
Ich hatte Franklin in der Tat nicht alles erzählt, was mir in New Orleans als Sterbliche widerfahren war. Er wusste nur, dass ich dort auf der Suche nach Armand in die Hände eines sadistischen Vergewaltigers gefallen war. Dass es sich dabei ebenfalls um einen Vampir handelte, der noch eine Rechnung mit Armand offen hatte, behielt ich für mich. Dracon – ich würde den Mann mit den Schlangentattoos niemals vergessen. Ebenso wenig wie das, was er mir angetan hatte. Ich war aus eigener Kraft entkommen, doch mehr tot als lebendig. Wäre
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