Ruf des Blutes 3 - Dämonenring (German Edition)
aufbrausen ließ. Überrascht zuckte ich zurück, als er mich anfunkelte, seine Hände sich um die Armlehnen des Sessels krampften.
„Du denkst also wirklich, du bist noch du selbst? Es hätte sich nichts in dir geändert? Und was ist dann mit deinen Idealen? Mit deinem Ehrenkodex – dem Gelübde jeder weißen Hexe? Tu, was du willst, aber schade niemandem! Kannst du noch immer eine Hexe sein und dir jeden Tag im Spiegel ins Gesicht sehen, wenn du Nacht für Nacht tötest und dein Kodex nichts anderes mehr ist als eine Lüge?“
„Ich bin noch immer Hexe, Vater. Ebenso wie ich Vampir bin. Also bin ich auch noch an meinen Kodex gebunden.“
„Hexe und Vampir lassen sich nicht miteinander vereinbaren. Du schadest jede Nacht, denn jede Nacht bringst du anderen den Tod.“
„Das ist Ansichtssache. Ich sehe mich als Raubtier, nicht als Mörder. Für viele, denen ich meinen Kuss schenke, ist es eine Gnade. Eine Gunst, die sie willkommen heißen. Und damit entspreche ich meinem Kodex wieder. Außerdem töte ich nicht mehr als nötig. Wenn ich die Verbrecher jage, dann erfülle ich ebenfalls einen höheren Zweck, den ich mit meinem Kodex vereinbaren kann. Ich verhindere weiteren Schaden durch solche Subjekte.“
Franklin schnaubte. „Du warst mir lieber, als du noch nicht bei Lucien in die Lehre gegangen warst, und dich allein vom kleinen Trunk ernährt hast. Was hat er getan, um dein Gewissen zum Schweigen zu bringen? Wie hat er deinen Widerstand gebrochen?“
Das Bild des Priesters trat mir wieder vor Augen. Der Geschmack seines süßen unschuldigen Blutes perlte über meine Zunge. Ich gierte so sehr danach, es wieder zu schmecken. Franklin ahnte nicht, wie viel Kraft ich aufbrachte, um mich unter Kontrolle zu halten. Wie groß die Einschränkung war, die ich mir auferlegt hatte, indem ich nur den Abschaum dieser Welt zu meiner Beute erklärte oder jene, für die es keine Hoffnung mehr gab. Ich ging gewiss nicht leichtfertig damit um. Aber ich war nun mal, was ich war. Wollte ich überleben, durfte ich das nie wieder vergessen. Das hatte ich durch Luciens kleine Lektion endgültig verstanden.
„Du hast deine Menschlichkeit bei ihm verloren. Das Wertvollste, was du dir durch die Wandlung hindurchgerettet hattest. Es tut mir unendlich weh, das zu sehen.“
Sein Mitleid ekelte mich an. Ich war längst davon ab, ihm alles zu glauben, was er sagte. Dafür wusste ich inzwischen von zu vielen Schatten auf seiner Seele.
„Es gibt keinen Grund, meinen Verlust zu betrauern, Vater. Ich habe mehr gewonnen, als verloren. Diese selige Kälte in mir lässt mich ertragen, was ich als Sterbliche nie hätte vergessen können. Das Wissen um das Leiden und Sterben meiner Mutter. Ihren qualvollen Tod in den Flammen des Scheiterhaufens, den ich mit ansehen musste, kaum dass ich diese Welt erblickte. Als Vampir ist es nicht mehr als eine Facette in meiner Erinnerung. Wie alles nur Facetten werden im Laufe der Ewigkeit eines unsterblichen Lebens. Als Mensch wäre es eine immerwährende Seelenqual. Du siehst, für mich war es ein Glück, ein Segen, dass Armand mich in die Finsternis holte. Und ein noch Größerer, dass Lucien die Reste meiner Menschlichkeit endlich zum Schweigen gebracht hat.“
Als ich von meiner Mutter sprach, traf ich ihn damit tief. Vor allem, weil ich es inzwischen mit innerem Abstand tat, während er den Schmerz des Verlustes noch so intensiv fühlte, wie am ersten Tag. Er hatte sie wirklich von ganzem Herzen geliebt und das glaubte ich ihm ohne jeden Zweifel.
„Tut mir leid.“
Er winkte ab. „Schon gut. Im Grunde hast du wohl recht. Und ich möchte mich auch nicht mit dir streiten. Sag mir lieber, wie es mit den Ermittlungen vorangeht. Kommst du mit Warren inzwischen zurecht?“
„Er ist ein netter Kerl. Aber das Problem ist, dass er in die eine Richtung ermittelt und ich in die andere. Dummerweise ist meine die, die uns zum Ziel führt. Aber wie soll ich ihm das klarmachen, wenn er an nichts glaubt, was man nicht mit den gängigen Naturwissenschaften belegen kann?“
„Nun, vielleicht sollte man wirklich überlegen, ob man ihn einweiht.“
Ich traute meinen Ohren nicht. Das von meinem Vater? „Meinst du das im Ernst?“
„Na ja, nicht sofort. Und nicht zu direkt. Das sollte man schon behutsam angehen. Aber ich glaube, dass mehr in ihm steckt, als wir bislang denken.“
Wie ein Schatten schlich sie um das große Gebäude. Niemand bemerkte ihre Anwesenheit. Er war so nah, der Ring. Seine
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