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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Tobak!«
    Starker Tobak! Nie habe ich jemanden getroffen, in dessen Munde die abgedroschenste Phrase so veredelt wird wie in Dietrichs. Am liebsten mag er welche, die sich mit Körperteilen und Sinnesorganen befassen: Ich bin ganz Ohr, das Auge isst mit etc. Oder es müssen Tiere drin vorkommen: Hund in der Pfanne, Ochs vorm Tor, Schwein ins Uhrwerk etc. Dietrich hat immer die richtige parat. Er dreht und wendet sie im Mund wie ein Gourmet, der Wein verkostet, einen ganz besonderen Jahrgang. Starker Tobak also.
    Er sieht mich fragend an. »Valmont kennst du?« Ich habe ein miserables Namengedächtnis und kann mich nicht erinnern. »Naaa, Valmont«, sagt Dietrich mahnendund grüßt lässig Harald Juhnke, der eben hereinkommt und Dietrichs Gruß geflissentlich übersieht. Ein Gast bestellt ruppig eine Apfelschorle. »Befleißigen Sie sich bitte eines anderen Tones«, raunzt Dietrich ihn an. Dann vor sich hin: »Is doch wahr! Da kann ja jeder kommen!« Dann zu mir: »Vicomte de Valmont aus den
Gefährlichen Liebschaften
. Die literarische Vorlage stammt leider nicht vom göttlichen Marquis, aber aus derselben Zeit, von einem gewissen Laclos.«
    Ich erinnere mich schemenhaft: »Mit Glenn Close?«
    »Ja genau! Und den Valmont spielt Christopher Lambert, glaube ich.«
    Robert kommt. Wie immer stieselt er stumm durch die Gegend, ganz auf Attacke gebürstet. Sein Eintreffen markiert das Ende unserer nebulösen Plauderei. »Unsinn! John Malkovich«, sagt er statt einer Begrüßung und hebt den knotigen Musikerfinger. »John Malkovich 1988.«
    Dietrich schleudert das Geschirrtuch in die Ecke. »Lieber mit Gott irren als mit den Würmern recht haben«, knurrt er in Roberts Richtung, denn er kann dessen belehrende Art nicht leiden, ja, er verachtet ihn seines enzyklopädischen Wissens wegen. Dietrich sagt, Leute wie Robert »sind höchstens unschlagbar bei Trivial Pursuit«. Robert hingegen findet Dietrich »sexuell verwahrlost«. Meine Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass die beiden schleunigst erfahren, was sie voneinander halten. Jedenfalls lässt sich Robert nicht beirren und setzt seinen schnörkellosen Vortrag fort, unterstützt von einer mehr als bescheidenen Kollektion von Gesten: »Wir sprechen selbstverständlich von der Stephen-Frears-Fassung. Ein Jahr später hat Milos Forman den Stoff als solchen noch einmal verfilmt, aber das war kein großer Erfolg, weil …« Der Rest geht in der Kneipenmusik unter: »Love Cats«von The Cure. Manchmal kommt mir Robert vor wie ein Lexikon mit Mensch drumrum.
    Dietrich zieht mich beiseite und macht Theater mit den Augenbrauen.
    »Der Vicomte de Valmont ist ein diabolischer, boshafter, raffinierter, herzloser Beau. Er muss erobern, und er verabscheut die leichte Eroberung. Dein Telefonlover pokert hoch. Valmont! Tsss! Da kann ja jeder kommen!«
    »Und Eugénie?«, frage ich und höre Robert nebenan unverdrossen ins Leere referieren. Dietrich tippt sich dreimal auf die Stirn.
    »Eugénie! Eugénie! Lass mich überlegen! Da gibt es einmal Eugénie, die Kaiserin, Frau von Napoleon dem Dritten. Dann die von Balzac, Eugénie Grandet …«
    Hier schaltet sich Robert wieder zu – »Gleiches Recht für alle, auch für mich an dieser Stelle!« – und bestäubt uns mit Fakten: »In
Dantons Tod
kommt eine vor. In
Effi Briest
. Bei Mörike gibt es eine …«
    Dietrich runzelt die Stirn. »Öschenieee, du Klops! Französisch!!« Dann zu mir mit einer wischenden Handbewegung vor dem Gesicht: »Also, dieser Robert … es mag ja irgendwo ein Licht brennen, aber es ist niemand zu Hause. Kurzum. Es gibt noch eine Eugénie aus Sades
Philosophie im Boudoir
. Ein Luder, sag ich dir! Am besten, du liest es.« Er grinst süffisant. »Und kuck die
Gefährlichen Liebschaften
. Und dann triffst du diesen … ähm … Valmont.«
    Eine dickbusige Blondine rauscht an. »Unverhofft kommt oft«, murmelt Dietrich.
    »Haste mir vermisst?«, wirft Blondie ihm zu. Er stutzt kurz und schüttelt eine seiner irgendwo geklauten Antworten aus dem Ärmel: »Ach Moni! Vermisst die Sonne die Sterne? Vermisst der linke Arm den rechten? Vermisst Kain Abel?«
    Diese Beleidigung ist ihr zu subtil. »Du sagst immer urst schöne Sachen«, haucht sie mit wogendem Busen, und das kleine zwanglos beigestellte Wort »urst« (= sehr), spätestens das, verrät ihre Herkunft: Ost-Berlin. Zu allem Überfluss hat sie wohl ihre Tage, denn sie riecht stark nach Bouillon. Dietrich zuckt in meine Richtung entschuldigend mit den

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