Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
geschlagen, und in den Büchern steht's von mancher Frau, die ihren Mann vergeben hat in der Suppe, daß sie ihn unter die Erde kriegte, und hinter der Thür stand schon ein anderer. Aber unter honetten Leuten kommt so was nicht vor, die wissen sich anders zu helfen. Und wenn's einmal, so macht man auch nicht so viel Geschrei davon, denn da wär's ja gethan um allen Respekt und die Moralität. Nein, alles, was Recht ist, und mein guter Herr, der Geheimrath, in der Seele hat er mir weh gethan, daß er dabei sein musste.«
»Wie war nur das Kind in die Küche gekommen?«
»Du lieber Gutt, sie hat einen guten Geruch. Da ging sie denn der Mamsell Adelheidchen so lange um den Bart – das heißt, sie streichelte mit ihren Händchen die blonden Locken, o Malwinchen ist ein Filou, und da müsste Mamsell Adelheid früher aufstehen, wenn sie's merken wollte.«
»Adelheid hat nichts davon gesagt.«
»Ach, Frau Geheimräthin, wie wird man Ihnen denn alles sagen, was in Ihrem Hause passirt! Sie haben auch gesagt, der Herr Geheimrath soll Kaffee haben vom zweiten Aufguß, weil's ihn echauffirt; Mamsell Adelheidchen aber lässt ihm vom ersten geben, weil sie gemerkt hat, daß es ihm besser schmeckt. Und der Herr Geheimerath, der nichts merkt, merkt's recht gut, und ist still zu. Warum sollte er's auch laut machen; er denkt, dann kann's anders werden. Es geht in jedem Hauswesen so zu, und wer der Klügste ist, soll sich nicht einbilden, daß nicht Einer ist, der ihm auf die Sprünge kommt. Jedes Schloß hat ein Loch und jede Mauer eine Ritze, man sieht sie nur nicht, und wer noch so verdämelt aussieht, zuweilen schießt's in ihn. Das sage ich meinem Geheimrath auch. Will sich manchmal um Alles kümmern, meine Marktrechnungen nachrechen. Lieber Herr Geheimrath, sage ich ihm, wenn ich Sie übers Ohr hauen wollte, dann wären Sie der letzte, der's merkt. Er hat auch gemerkt, daß es Malwinchen gewesen war; aber er that nur so, sonst hätte er ja losfahren müssen – und vorm Braten schon, und am Ende hätten Sie ihn die Kinder gleich einpacken lassen. Na, das käme ihm jetzt bequem. Es ist ja auch nicht das erste Mal, bei uns haben sie's schon mal so gemacht. Die Himbeersauce rein ausgeleckt, derweil wir asserviren. Was thun sie, damit wir's nicht merken sollen? Sie gießen das große Tintenfaß aus der Registratur 'rein. Ich sah's nicht mal, denn wir hatten Eine zur Aushülfe, so ein Schlesisches Puddel, die schrie: Herr Je – die Tunke ist ja schwarz! Na, die schwarze Brühe merkten wir denn bald. – Und nu's einmal 'raus, soll auch alles 'raus. Das Achtgroschenstück, warum der Hausknecht seinen Jungen so gottesjämmerlich prügelte, der Gottlieb hatte es nicht in die Gosse fallen lassen – das sagte der Junge nur aus Pfiffigkeit, daß er mit den Patschen drin wühlen konnte, und wer half ihm nicht, und derweil er heulte und wühlte, dachte er, kommt 'ne mildthätige Seele, und schenkt ihm was. Sie haben ihm auch was geschenkt, aber die Prügel waren das Meiste. Nein, aus der Tasche hat er sich's stehlen lassen. Und wer hat's ihm stibitzt? – Ich weiß es.«
Ihre Hände mussten ihre Thränen nicht fassen können, die aus Charlottens Augen stürzten, auch das blaue Tuch, was sie davor hielt, ward in allen Wendungen naß, und ihr Schluchzen schallte von den Wänden zurück. »Wäre es möglich, Charlotte!«
»'s ist gewiß, Frau Geheimräthin. Es schoß mir gleich was durch den Sinn. Und nachher, wie ich im Stroh suchte unter seinem Bett, da fand ich's – das Achtgroschenstück.«
»Sie hat es dem Hausknecht wieder gegeben!«
»Ich wollte es auch, aber da kriegt mich der Fritz zu packen. Sage ich Ihnen, wie ein Kobold, er kniff mir in die Waden und biß mir in die Finger, und schrie und weinte – nu man hat doch auch ein Herz im Leibe – wer will denn seiner Herrschaft Kinder an den Galgen liefern! – Dem Gottlieb thut man's wieder gut. Die Prügel hat er doch mal weg; schaden ihm auch nichts. Aber von dem Achtgroschenstück, davon ist's ja eben. Zum Kuchenbäcker um die Ecke. Sein ganz Schnupftuch voll brachte er mit, husch unters Bett, und nun stopften sie. Daran liegen sie ja jetzt wieder. Nein, sage ich doch, das steckt im Blute.«
»Meint Sie?«
»O Du himmlischer Vater, wenn da nicht Einer hilft, der wird mal 'ne Räuberbande, wie's zu lesen steht in den Büchern bei Herrn Vieweg – blutig duster im Walde, und am Ende schleppen sie ihn in Ketten. Na, wenn das mein Herr erlebte!«
»Im Blute, sagt Sie,
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