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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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    »Quatsch, Laura Lee. Du mußt mir helfen.« Sie begegnete wieder dem Blick des Fahrers. Er hielt an der Ampel am Times Square und 42. Street. »Ich versuche auszuknobeln, worauf Teddy möglicherweise gestoßen ist...« Sie schloß die Augen. Hupende Autos. Der Stoßverkehr stadtauswärts verstopfte jede Kreuzung.
    »Im Ernst, nur deine Tante Jane könnte diese Aktienzertifikate zu Geld machen, Wetzon, und sie ist tot.«
    »Woher weißt du das?«
    »Was? Daß sie die Aktienzertifikate zu Geld machen kann oder daß sie tot ist?«
    »Daß sie tot ist.«
    »Na, das hast du mir doch gerade gesagt.«
    »Gut, aber wenn sie noch lebt?«
    »Dann kann sie die Aktienzertifikate selbst einlösen.«
    Ein schwaches Summen ertönte in Wetzons Kopf, wie wenn ihr Wecker morgens losging. Sie blendete zu dem Mann mit dem Nasenbluten zurück... Mitosky... der mit dem breiten Akzent, der angeblich auf einen Spazierstock angewiesen war. Er hatte gewartet, um mit dem Kassierer bei Bradley, Elsworth zu sprechen. »Auch wenn du sie nicht kennst?«
    »Nein. Sie müßte natürlich einen Nachweis vorlegen, wer sie ist. Geburtsurkunde oder Paß, Führerschein. Die üblichen Papiere.«
    »Wirklich? Das ist alles?«
    »Sicher.«
    »Und dann?«
    »Sie unterschreibt auf der Rückseite des Zertifikats, und wir stellen ihr einen Scheck über die Summe zum Marktpreis aus.«
    »Und wenn sie gar nicht Tante Jane ist? Wenn Tante Jane in Wirklichkeit gestorben ist und ich so tu, als wäre ich Tante Jane?« Im Nachruf auf Mitosky hatte gestanden, daß er in England geboren war und...
    »Na, hör mal, Wetzon. Das Alter, Schatz. Du hast nicht dasselbe Alter wie die Geburtsurkunde. Ich glaube sowieso nicht, daß du so etwas tun würdest. Außerdem würden wir irgendwann entdecken, daß sie tot ist.«
    Das Summen in Wetzons Kopf war ein lautes Klingeln geworden.
    »Laura Lee, hör mir ganz genau zu. Wenn nun die arme alte Tante Jane nicht tot wäre, sondern nur krank und vielleicht ein bißchen vergeßlich? Wenn jemand, der vom Alter her passender wäre, ihre Aktienzertifikate und die ganzen notwendigen Papiere nähme und sich als Tante Jane ausgäbe — und in eine Maklerfirma spazierte...?«
    »Wetzon, du meine Güte, das ist ja das Schlimmste, was ich je gehört habe.« Laura Lees schwarz umrandete Augen wurden rund vor Abscheu.
    »Könnte das passieren, Laura Lee? Sag mir nur, ja oder nein«, beschwor Wetzon sie. »Könnte es passieren?«
    Laura Lee schürzte ihre glänzenden hochroten Lippen. Sie starrte Wetzon lange an. »Ja«, sagte sie schließlich.

»This joint is jumpin’... This joint ist jumpin’...« Der Mitschnitt von Ain’t Misbehavin’ war undeutlich über dem Lärm der Stimmen zu hören, die aus dem ersten Stock von Sardi’s nach unten drangen. Der Garderobenständer bei der Tür brach unter den Mänteln fast zusammen, und Wetzon wollte ihren neuen Mantel sowieso nicht abgeben, also zwängte sie sich in ihrem Waschbär in den überfüllten Raum.
    Tänzer — junge und alte Freunde aus der Boheme, Schauspieler, Männer und Frauen — lehnten an der Bar, den Wänden, den zwei Säulen in der Mitte und hinten im Saal oder standen in Grüppchen zusammen. Viele rauchten, alle tranken, letzteres offensichtlich schon eine ganze Zeitlang. Sie drängte sich zur Bar durch — es gab nur Wein. »Weiß, bitte«, sagte sie. Sie hätte jetzt wirklich ein Bier vertragen können.
    »Wetzon! Hallo, wo hast du dich bloß versteckt?« Sie nahm das Glas, und als sie sich umdrehte, sah sie Phil Rinaldi, einen Pressesprecher, den sie von mehreren Shows kannte, in denen sie mitgewirkt hatte.
    »Philip! Mann, das ist Jahre her. Arbeitest du noch mit Mary Bryant zusammen?« Mary war Hal Prince’ Pressesprecherin bei fast allen seinen Musicals gewesen.
    »Nein. Ich habe Phantom für Fred Nathan gemacht, und jetzt arbeite ich selbständig.«
    »Prima. Das hält dich bestimmt auf Trab.«
    »Das ist gut so.« Wetzon erinnerte sich, daß Philip einst Bühnenstücke hatte schreiben wollen. »Mary unterhält sich dort drüben mit Mort Hornberg.«
    »Mort Hornberg? Ehrlich? Tommy hat ganz schönen Zuspruch.« Sie sah sich um. »Hast du Carlos gesehen?«
    »Ja, er ist irgendwo. Sind alle da.«
    Es waren alle da. Hai Prince gab ihr einen flüchtigen feuchten Kuß auf die Wange. Bob Avian, der so eng mit Michael Bennett zusammengearbeitet hatte, umarmte sie. Fred Ebb winkte und strahlte. Margie und Sheldon Harnick begrüßten sie wie eine lange vermißte

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