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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Deutsch mit ihm.
    »Ich hatte gedacht, sie wäre in größeren Schwierigkeiten«, sagte ich. »Aber ich glaube, die Polizei will sie nur verwarnen.«
    »Nein, nein«, sagte Ludger mit nervösem Lachen. Er senkte die Stimme. »Sie hat ’n Ding zu laufen. Ein bisschen irre. Aber nichts Ernstes. Du verstehst?«
    »Klar. Also wie wir alle«, sagte ich.
    Jochen griff nach Ludgers Hand. »Los, Ludger, schaukel mich.«
    Also nahmen Ludger und Ilse ihn zwischen sich und ließen ihn schaukeln, während wir nach Hause gingen. Jochen schrie vor Begeisterung und rief bei jedem Mal: »Höher! Höher!«
    Ich blieb ein wenig zurück und bückte mich, um einen Riemen an der Sandale festzuziehen. Das Polizeiauto sah ich erst, als es neben mir hielt. Detective Constable Frobisher lächelte mich durchs offene Fenster an.
    »Miss Gilmartin – ich dachte mir doch, dass Sie es sind. Könnte ich Sie kurz sprechen?« Er stieg aus, der Fahrer blieb sitzen. Ich merkte, dass Jochen, Ilse und Ludger weiterliefen, ohne auf mich zu achten, und es gelang mir, mich nicht zu ihnen umzudrehen.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen«, führ Frobisher fort, »die junge Frau aus Deutschland scheint wieder in London zu sein.«
    »Ah, gut.«
    »Haben Sie die Demo gesehen?«
    »Ja. Ich war in der Broad Street. Ein paar meiner Studenten haben teilgenommen. Iraner, verstehen Sie?«
    »Ja, darüber wollte ich mit Ihnen reden.« Er machte einen Schritt auf mich zu. »Wie ich sehe, bewegen Sie sich viel unter den ausländischen Studenten.«
    »Dass ich mich ›unter ihnen bewege‹, würde ich nicht unbedingt sagen – aber ich unterrichte ausländische Studenten, das ganze Jahr über.« Ich strich mir das Haar aus den Augen und nutzte die Handbewegung, um einen Blick nach vorn zu riskieren. Ludger, Ilse und Jochen waren etwa hundert Meter entfernt stehen geblieben und schauten sich nach mir um, Ilse hielt Jochen bei der Hand.
    »Lassen Sie’s mich mal so ausdrücken, Miss Gilmartin«, sagte Frobisher, jetzt in zutraulichem, fast drängendem Ton. »Wir wären sehr interessiert, falls Sie irgendetwas Ungewöhnliches hören oder sehen – Politisches, über Anarchisten, Radikale. Die Italiener, die Deutschen, die Araber … Alles, was Ihnen auffällig vorkommt – rufen Sie uns einfach an.« Er lächelte, und sein Lächeln war echt, nicht gekünstelt, und für einen Augenblick sah ich den wahren Frobisher, seinen ungebremsten Eifer. Hinter den Höflichkeitsfloskeln und der drögen Ernsthaftigkeit verbarg sich einer, der listiger, klüger und ehrgeiziger war, als es den Anschein hatte. »Sie kommen näher an diese Leute heran als wir, Sie hören Dinge, die wir nie zu hören kriegen«, sagte er und ließ noch einmal die Maske fallen. »Und wenn Sie uns von Zeit zu Zeit anrufen würden – auch wenn es nur so ein Eindruck ist –, wären wir Ihnen sehr verbunden.«
    Fängt es so an?, dachte ich. Fängt so dein Leben als Spionin an?
    »Klar«, sagte ich. »Wenn ich denn was hören würde. Aber sie sind alle ganz harmlos und wollen nur Englisch lernen.«
    »Ich weiß. Neunundneunzig Prozent. Aber Sie haben doch die Graffiti gesehen«, sagte er. »Rechts außen spricht man Italienisch, links außen spricht man Deutsch. Die müssen sich ja hier aufhalten, wenn sie dieses Zeug an die Wände schreiben.« Wohl wahr: Ganz Oxford wurde mehr und mehr mit sinnlosen Agitprop-Losungen aus Europa zugeschmiert – Ordine Nuovo, Das Volk wird dich rächen, Caca-pipi-talisme –, sinnlos für die Engländer, wollte ich damit sagen.
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Wenn ich etwas höre, rufe ich Sie an. Kein Problem, ich habe Ihre Nummer.«
    Er dankte mir noch einmal, verabschiedete sich mit »Bis bald«, riet mir noch, auf mich aufzupassen, und stieg in sein Auto, das flink wendete und ins Stadtzentrum zurückfuhr.
    Ich lief weiter zum wartenden Trio.
    »Was wollte der Polizist von dir, Mummy?«
    »Er sagte, er sucht nach einem Jungen, der ein Ei geworfen hat.« Wir drei Erwachsenen lachten, aber Jochen fand es nicht lustig.
    »Den Witz hast du schon mal gemacht. Er ist immer noch nicht witzig.«
    Als wir weitergingen, blieb ich ein paar Schritte mit Ilse zurück.
    »Aus irgendeinem Grund denken sie, du bist wieder in London. Also nehme ich an, dass du hier sicher bist.«
    »Danke, Ruth. Ich bin dir sehr dankbar.«
    »Warum bettelst du? Sie sagten, du würdest aggressivbetteln – mit Drohungen.«
    Sie seufzte. »Nur am Anfang hab ich gebettelt. Stimmt. Aber jetzt nicht mehr.« Sie zuckte

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