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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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»Wie heißt dieser Professor?«
    »Timothy Thoms.«
    Romer zog ein kleines ledergebundenes Notizbuch aus dem Jackett, dann einen Füller und schrieb den Namen auf. Seine Kunst, sich zu verstellen, konnte ich nur bewundern.
    »Dr. T.C.L. Thorns. T-H-O-M-S. Er lehrt im All Souls«, fügte ich hinzu.
    »Gut …« Romer schrieb alles auf und blickte hoch. »Womit genau befasst sich der Artikel, den Sie schreiben?«
    »Mit der British Security Coordination. Und ihren amerikanischen Aktivitäten vor Pearl Harbor.« So hatte es mir meine Mutter geraten: ein weit gefasstes, allgemeines Thema.
    »Warum in aller Welt soll sich jemand dafür interessieren? Was finden Sie an der BSC so aufregend?«
    »Ich dachte, ich wäre es, der Sie interviewt, Lord Mansfield.«
    »Ich möchte nur ein paar Dinge klären, bevor wir anfangen.«
    Der Kellner klopfte und trat ein.
    »Telefon, Lord Mansfield«, sagte er. »Die Nummer eins.«
    Romer erhob sich und ging ein wenig steif zum Telefon auf dem kleinen Schreibpult in der Ecke. Er nahm den Hörer ab.
    »Ja?«
    Er lauschte der Stimme am anderen Ende der Leitung, und ich widmete mich meinem Whisky, trank einen großen Schluck und nutzte die Gelegenheit, ihn eingehender zu betrachten. Er zeigte mir sein Profil, den Hörer in der linken Hand, und vor dem Hintergrund des schwarzen Bakelits sah ich das Blinken des Siegelrings an seinem kleinen Finger. Mit dem rechten Handballen strich er das Haar über dem Ohr nach hinten.
    »Nein, ich bin nicht besorgt«, sagte er. »Nicht im Entferntesten.« Er legte auf und blickte eine Weile unschlüssig aufs Telefon. Die beiden Haarflügel trafen sich an seinem Hinterkopf zu einem kleinen Lockengewirr. Das sah nicht besonders gepflegt aus, aber natürlich war es das. Seine Schuhe waren blank gewienert wie von einem Offiziersburschen. Er wandte sich um, und seine Augen weiteten sich für einen Moment, als hätte er vergessen, dass ich im Zimmer war.
    »So, Miss Gilmartin, Sie hatten mir von Ihrem Interesse an der BSC erzählt«, sagte er und nahm Platz.
    »Mein Onkel hatte mit der BSC zu tun.«
    »Wirklich? Wie hieß er denn?«
    Meine Mutter hatte mir aufgetragen, ihn an dieser Stelle besonders scharf zu beobachten.
    »Morris Devereux«, sagte ich.
    Romer dachte nach, wiederholte den Namen mehrere Male. »Ich glaube nicht, dass ich den kenne. Nein.«
    »Sie geben also zu, bei der BSC gewesen zu sein.«
    »Ich gebe gar nichts zu, Miss Gilmartin«, sagte er und lächelte mich an. Überhaupt lächelte er viel, dieser Mann, aber nie war sein Lächeln echt oder freundlich. »Wissen Sie was«, sagte er, »es tut mir leid, Sie zu enttäuschen, aber ich habe beschlossen, Ihnen dieses Interview nicht zu gewähren.« Er stand auf, ging zur Tür und öffnete sie.
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Weil ich Ihnen kein Wort glaube.«
    »Das tut mir leid«, sagte ich. »Was soll ich sagen? Ich bin völlig ehrlich zu Ihnen gewesen.«
    »Dann sagen wir, ich habe es mir anders überlegt.«
    »Das ist Ihr gutes Recht.« Ich ließ mir Zeit, nahm noch einen Schluck Whisky, steckte Block und Stift in meine Aktentasche, stand auf und ging vor ihm aus der Tür. Meine Mutter hatte prophezeit, dass es wahrscheinlich so enden würde. Er musste mich natürlich empfangen, nachdem ich den AAS Ltd. erwähnt hatte, um herauszufinden, was ich im Schilde führte, und als er sich vergewissert hatte, dass ich harmlos war – einfache journalistische Neugier, mit anderen Worten –, wollte er nichts mehr mit mir zu tun haben.
    »Ich finde den Weg allein«, sagte ich.
    »Dazu sind Sie leider nicht befugt.«
    Wir gingen vorbei am Speisesalon, in dem nun ein paar Herren aßen, an der Bar, die nun voller war als zuvor und in der gedämpftes Gemurmel herrschte, an der Bibliothek, in der ein alter Herr schlief, und stiegen die weit geschwungene Treppe hinab bis zur schlichten schwarzen Tür mit dem fein ziselierten Oberlicht.
    Der Portier öffnete. Romer gab mir nicht die Hand.
    »Ich hoffe, ich habe Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch genommen«, sagte er und winkte hinter mir einem schweren, eleganten Wagen zu – einem Bentley vermutlich –, der anfuhr und auf die Straßenseite des Brydges’ hinüberwechselte.
    »Den Artikel schreibe ich trotzdem«, sagte ich.
    »Natürlich werden Sie das tun, Miss Gilmartin, aber hüten Sie sich vor Verleumdungen. Ich habe einen hervorragenden Anwalt – der hier ebenfalls Mitglied ist.«
    »Ist das eine Drohung?«
    »Eine Tatsache.«
    Ich blickte ihm

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