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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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die anderen, weil es kein Plattencover war, sondern die glänzende Titelseite irgendeiner Zeitschrift. Auf dem Bild sprang ein Typ auf den Betrachter zu. Im Hintergrund stand der Rest seiner Band und starrte ihm hinterher. Es war ein ziemlich berühmtes Foto. Ich hatte es auf jeden Fall schon mal gesehen. Ich erinnerte mich an die Art, wie der Typ auf die Kamera zusprang, alle Glieder von sich gestreckt, als wäre der Flug das Einzige, was zählte, als wäre es ihm egal, was passierte, wenn er unten ankam. Auch die Schlagzeile auf dem Zeitschriftentitel hatte ich schon mal gelesen, sie war in derselben Schriftart gehalten, die die Band auf ihrem Album benutzte – Ausbrechen: Der Frontmann von NARKOTKA spricht über Erfolg unter achtzehn.
    Nicht mehr gewusst hatte ich, dass der Typ auf dem Foto Cole gewesen war.
    Ich schloss einen winzigen Moment lang die Augen, das Bild noch immer in meine Netzhaut gebrannt. Bitte, dachte ich. Bitte mach, dass er ihm nur zufällig ähnlich sieht. Bitte mach, dass Beck niemanden Berühmtes angesteckt hat.
    Ich machte die Augen wieder auf, aber Cole war immer noch da. Und hinter ihm, verschwommen, weil sich die Kamera nur für Cole interessierte, stand Victor.
    Langsam ging ich ins Studio zurück; sie hörten sich gerade einen meiner Songs an, der sogar noch besser klang als der vorherige. Aber das alles schien plötzlich nicht mehr zu meinem Leben zu gehören. Zu meinem wirklichen Leben, das vom Steigen und Fallen der Temperaturen dirigiert wurde, selbst jetzt, wo sich meine Haut verlässlich menschlich anfühlte.
    »Dmitra«, sagte ich und sie drehte sich um. Auch Grace sah auf und der Klang meiner Stimme schien sie zu verwirren, denn sie runzelte die Stirn. »Wie heißt der Frontmann von NARKOTIKA?«
    Ich hatte schon alle Beweise, die ich brauchte, aber ich würde es nicht richtig glauben können, bevor es nicht jemand aussprach.
    Ein Grinsen zog sich über Dmitras Gesicht, das jetzt weicher wirkte als die ganze Zeit über, die wir schon im Studio waren. »Oh Mann, das war vielleicht ein geniales Konzert. Der Typ ist natürlich total abgedreht, aber diese Band war einfach …« Sie schüttelte den Kopf und schien sich erst jetzt daran zu erinnern, dass ich sie etwas gefragt hatte. »Cole St. Clair. Er wird schon seit Monaten vermisst.«
    Cole.
    Cole war Cole St. Clair.
    Und ich hatte gedacht, meine gelben Augen wären schwer zu verstecken.
    Das bedeutete, es gab da draußen Tausende von Augen, die nach ihm suchten, die darauf lauerten, ihn zu erkennen.
    Und wenn sie ihn fanden, würden sie uns alle finden.

KAPITEL 36
ISABEL
    »Wo soll ich dich hinbringen? Zurück zu Becks Haus?« Wir saßen in meinem Geländewagen, den ich ganz am anderen Ende des Parkplatzes vor dem Kenny’s geparkt hatte, damit mir nicht irgendwelche Bauerntrampel ihre Türen in die Seite hauten. Ich versuchte, Cole nicht anzusehen, der riesig auf dem Beifahrersitz wirkte. Seine Anwesenheit schien viel mehr Platz einzunehmen als sein bloßer Körper.
    »Tu das nicht«, sagte Cole.
    Mein Blick huschte zu ihm. »Was?«
    »Tu nicht so, als wäre nichts passiert«, sagte er. »Frag mich danach.«
    Das Nachmittagslicht schwand immer mehr. Im Westen schob sich eine lange, dunkle Wolke über den Himmel. Eine Regenwolke, die nicht für uns bestimmt war. Bloß schlechtes Wetter auf dem Weg irgendwo anders hin.
    Ich seufzte. Ich war nicht sicher, ob ich überhaupt etwas davon wissen wollte. Mir schien es, als wäre es anstrengender, Bescheid zu wissen, als nicht. Aber jetzt, wo die Katze aus dem Sack war, konnten wir sie wohl kaum wieder reinstecken. »Ist das denn wichtig?«
    »Ich will, dass du es weißt«, erwiderte Cole.
    Jetzt sah ich ihn an, sah sein gefährlich schönes Gesicht, das mich selbst in diesem Moment unheilvoll zu locken schien: Isabel, küss mich, verlier dich in mir. Es war ein trauriges Gesicht, wenn man wusste, wonach man suchen musste. »Willst du das wirklich?«
    »Ich muss einfach wissen, ob mich irgendwer erkennen würde außer ein paar Zehnjährigen«, sagte Cole. »Sonst muss ich mich nämlich wirklich umbringen.«
    Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    »Soll ich jetzt etwa raten?«, fragte ich. Ohne seine Antwort abzuwarten, dachte ich an seine geschickten Finger, sein hübsches Gesicht und sagte: »Keyboarder in irgendeiner Boygroup.«
    »Leadsänger von NARKOTIKA«, korrigierte Cole.
    Eine ganze Weile wartete ich darauf, dass er sagte: War nur ein Scherz.
    Aber das tat er

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