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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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Kuchen, Fleisch, Lachs, Urlaub, Bühne, Mond, Baum, Eis, Wetter, Gerücht), es ist eigentlich relativ einfach, ich hatte das im letzten halben Jahr gelernt. Alles wird so ausgesprochen, wie es dasteht, zudem gibt es nur zwanzig reguläre Gebrauchsbuchstaben. B, C, D, F, Q, W, X haben sie abgeschafft, die führen ja auch zu nichts. Und mit dem Ungarischen hat das Finnische gar nichts zu tun, auch wenn etymologisch Halbbewanderte ebendies zu behaupten nicht müde werden (es gibt gerade einmal drei gemeinsame Wörter, allesamt Flüssigkeiten, Veri, Vesi, Mesi = Blut, Wasser, Honig). Ich versuchte, Heidi und Lisi die Sprache näherzubringen, doch es interessierte sie nicht im Geringsten. Stattdessen berichtete Heidi, sie glaube, gerade «schwanger von drei Männern» zu sein. Ich war fassungslos, Lisi zeigte das Foto ihres Freundes, eines baumlangen Faustballers. Im Flugzeug (Malev Air) gab es 30 Malzkekse, die an den Zähnen klebten, und in einer braunen Hartplastikschale so eine Colaersatzflüssigkeit. Ein Ungar neben mir bellte die Stewardess mit den harten Margaret-Thatcher-Haaren im Kasernenhofton an: «Sir, give me Pepsi!»
    Auf der Fähre saß neben mir Frida von ABBA, während sich die anderen Musiker weit entfernt voneinander im Fahrgastraum verteilten, so als hätten sie sich nichts mehr zu sagen. Es waren natürlich nicht die echten ABBA, sondern eine australische Revivalband namens Björn Again, die gerade mit Nirvana tourten. Während Kurt und die Grunger flogen, mussten die falschen Schweden die Fähre nehmen. Frida weinte, ich weiß nicht, warum, wie gerne hätte ich sie getröstet. Vielleicht hätten wir schmusen können, dann wären meine zwei Teenager eifersüchtig geworden, ich hätte meine Autorität zurückerlangt und nebenbei Frida die drei Nummern von ABBA aufzählen können, die mich das Beten lehren: «Move on», «Andante Andante» und «Eagle», aber das hätte möglicherweise alles nur noch schlimmer gemacht.
    Die Nachtzugfahrt von Helsinki nach Rovaniemi war schön, weil die Mädchen schliefen. Sie ringelten sich auf den Sitzen ein, während ich erleichtert ins Zugrestaurant torkelte, dieses kleine Fenster namens Freiheit. Es war brechend voll, niemand wollte schlafen, alle rauchten und tranken Dünnbier der Marke Karhu (Bär), eine Szene wie aus dem vortrefflichen Reiseführer «Der Kneipenmann» von M. A. Numminen, in dem er im Laufe eines Jahres 132 finnische Dünnbierkneipen besucht. («Wenn es von den Leuten in Häme heißt, sie hockten bewegungslos und hölzern herum, dann hat sich noch kein Hölzerner eingefunden. Alle fühlen sich zu Hause und mehr als das, Eintracht schafft Sitzgelegenheit.») Draußen blieb es hell und chromatisch monoton, unten eine Schicht blau, die Seen, in der Mitte grün, der Wald, und oben wieder blau, ein ins Graue changierender Himmel, denn es regnete, wenn auch nur auf einer Seite des Zuges, auf der anderen schien die Sonne. Auf der Regenseite spannte sich ein prachtvoller Regenbogen, und das um Mitternacht. Ich war überwältigt und wurde ganz demütig, von allem hier, auch vom Dünnbier und meinen zwei schlafenden Mündeln. Vielleicht träumt Heidi gerade von ihren Drillingen?
    Und auch die Restaurantgäste gingen nicht schlafen, wollten nicht, wurden lieber weich, die Gruppe verklebte zu einem großen hin und her schlingernden, lallenden Organismus, wie ein Myzelgeflecht, es kann aber auch sein, dass der vom verschütteten Bier klebrige Boden die Gäste an das rollende Wirtshaus band. Um sieben Uhr morgens kamen wir in Rovaniemi an, die Party war aus. Ich traf meine Mädchen auf dem Bahnsteig, sie spotteten wie üblich, Lisi meinte: «Du stinkst.»
    Im Bus nach Sodankylä versuchte ich den versäumten Schlaf nachzuholen, was mir nur in Sekundenetappen gelang, die Mädchen schwatzten munter Unappetitlichkeiten aus, aus dem Busradio kam Vogelgezwitscher, die Schmerzen in meinem Kopf gerannen, wie saure Milch in einem dünnen Kaffee flockt.
    Das Drama in Sodankylä war dann, dass wir keine Unterkunft hatten. Die hatte sich nicht von Wien aus organisieren lassen, ging ja alles noch mühsam ohne Internet. In der Touristeninformation hieß es, alle vier Hotels seien ausgebucht, Sodankylä ist klein, aber in der Turnhalle gebe es noch viel Platz. Wir, das heißt ich schleppte mich und das Gepäck zur Turnhalle, während Lisi und Heidi mich quälten. Ich ließ es geschehen, ich hatte sie ja hierhergezerrt, das war ich ihnen als Nennonkel schuldig. Mich

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