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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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vielleicht Lust, bei unserer Fotosession teilzunehmen?» Doch Gunther verstand nicht, weil Lagerfeld nuschelte. Lagerfeld, ratlos, fragte Müller: «Welche Sprache spricht er?», und Müller meinte: «Deutsche Gebärdensprache.» Gunther könne zwar sehr gut von den Lippen ablesen, aber eben nicht, wenn jemand nuschelt.
    Ich muss gehen, zu viel Informationsplankton, und das Interviewtriangel lässt sich nicht schließen, mir fällt auch auf, dass ich hier schon seit fünf Stunden sitze, zahle meine sieben Fassbrausen und entferne mich von diesem Ort. Von Techno weiß ich einfach zu wenig, und Ernestus will vermutlich und zu Recht nichts von mir wissen. Außerdem sollen gleich, wie von Müller angekündigt, zur Gesellschaft auch noch Volker Hauptvogel und Norbert Hähnel dazustoßen. Hauptvogel war Sänger und Texter von Mekanik Destrüktiw Komandöh, einer eher stumpfsinnigen Hippieband, und Wirt des legendären Pinguin Clubs, wo die Jungs von Depeche Mode herumzuhängen pflegten und dem Max Goldt mit der Platte «Ein Kuss in der Irrtumstaverne» ein Denkmal setzte. Hähnel hingegen betrieb das Plattengeschäft Scheißladen, war Heino-Imitator und quakt stets zur Begrüßung wie eine Krickente, das wird mir jetzt aber alles etwas zu viel an hohldrehender Verstiegenheit.
    Im Gehen fällt mir ein, dass ich doch noch bei Ernestus und seiner Neigungsgruppe hätte andocken können, ich war nämlich mal gemeinsam mit DJ Hell in einer Fernsehshow namens «Willkommen Österreich» eingeladen. Das war sehr nett, nein, er war sehr nett; freundlich, aufgeräumt erzählte er, wie er bei Hugh Heffners Gartenparty auflegte, bei der auch Marilyn Manson herumstand, für eine halbe Stunde bekam er 50000 Dollar oder so. Ich saß während des Talks in einem Kleiderschrank, der von ihm gnädigerweise kurz einmal geöffnet wurde. Zum Dank habe ich eines dieser runden, schwedischen Knäckebrote, die in der Mitte ein Loch haben, so groß wie das von Singles, auf einem Batterieplattenspieler aufgelegt, es lief tadellos, wiewohl natürlich eierig, hopsend und heftig krachend. Hell fand das gut, meinte, das sei eine Mischung aus Musique concrète und Minimaltechno, damit könne man leben, daraus lasse sich was machen.
    Und in Ernestus’ Laden hat auch mal eine Verflossene von mir gearbeitet. Als ich mit ihr zusammenkam, war sie siebzehn, ihre Eltern waren eine Woche zuvor bei einem Verkehrsunfall umgekommen, das heißt, der Vater lebte noch drei Tage, dem waren die Füße abgetrennt worden, ob beim Unfall oder beim Rausfräsen aus dem Wrack, weiß ich nicht. Die wurden dann wohl gleich mitverschrottet, der Mann klagte fortwährend, er wolle seine Füße wiederhaben, aber ach, vielleicht hätte ich den sanften Ernestus damit nur geschockt, wie der Schockrocker in Heffners Garten die Gäste oder die Geranien.
    Draußen vor dem legendären SO36 in der Oranienstraße steht eine Gruppe Jugendlicher, vielleicht fünfzehn Leute, nicht weil sie reinwollen, sondern weil sie geführt werden, es handelt sich um eine Stadttour zu legendären Berlinorten der sogenannten Subkultur, ein ungeheuer deprimierender Anblick, der Führer ist ein graubärtiger Mann mit Jeanshemd, das wenige Haupthaar mit einem Frottéring zum Pferdeschwanz gebunden, und der muss den Jugendlichen von Martin Kippenberger erzählen, der hier 1978/79 Besitzer war, und von Pere Ubu, Suicide, Tuxedomoon, Wire, Liaisons Dangereuses, Gang of Four und Throbbing Gristle (na, da wäre man gern Mäuschen, wenn er den Jugendlichen deren Song «Zyklon B Zombies» erklärt). Die sind hier alle aufgetreten, das letzte Mal, dass Musik wirklich interessant, relevant und aufregend war, sogar die fidelen Die Ärzte waren hier, damals noch mit Max Müller als Sänger, Wolfgangs Bruder mit dem zerschnippelten Arm, jetzt ist der Schuppen ein schwul-lesbischer Bauchtanzladen, und ein Mädchen in der Gruppe hat in ihren Nacken LIFE IS ABSURD tätowieren lassen. Ob wohl ihr Reiseleiter seinen Schützlingen von Kippenbergers Bild mit dem Titel «Dialog mit der Jugend», mit seinem bandagierten, schwerverletzten Kopf, erzählt? Diese Frage bleibt unbeantwortet, ebenso wie die, wer damals Kippenberger krankenhausreif geprügelt hat, und aus welchem Grund, wahrscheinlich, wie immer, ein paar Lümmel, aus Undankbarkeit und purem Sadismus, ich werde es nicht erfahren, weil der Dozent plötzlich mit dem Finger in meine Richtung deutet und mit ihm sich alle Köpfe seiner Schützlinge umdrehen, während er in

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