Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
Schauspieler Tomas-Raoul Toelpel (aus dem Ensemble René Polleschs), meint, er gäbe mir zwei Euro, wenn ich’s mache, ist der Moment auch schon vorbei. Ungetauft muss ich los.
Ich hab ein Rendezvous mit Ulrike Sterblich im Prater, Prenzlauer Berg. Auf dem Weg dorthin sehe ich den Satireclown Rafael Horzon, eine Art Mario Barth für die Generation Mitte, talggesichtig und gefährlich schlingernd auf der Bernauer Straße, am hellen Nachmittag, ihm ist augenscheinlich nicht ganz wohl, und er stützt sich auf einen Stockschirm wie ein alter Opa, die andere Hand hält sich an einer Ampel fest. Unterm Arm trägt er ein Minigebinde Klopapier (zwei Rollen nur, rückwärtig gibt er sich augenscheinlich bescheiden), ratlos sieht er aus, als überfordere ihn alles, das Licht, das Klopapier, Schirm und Ampel, vielleicht bräuchte er drei Arme, soll ich ihm helfen? Kann leider nicht, muss Ulrike treffen.
Im Prater prasseln auf uns die Kastanien, viele Gäste knoten sich ihre Jacken zu Turbanen und setzen sie sich auf die Köpfe, um Verletzungen zu vermeiden, aber ich denke, ernsthaft kann man sich nur verletzen, wenn man ein Auge so lange nach oben richtet, bis eine Kastanie im Stachelmantel herunterfällt und trifft. Ich bestelle dieses grüne Bier, das ich schon mal irgendwo gesehen habe, vielleicht tranken sie das immer in der famosen Vorabendfernsehserie «Drei Damen vom Grill» mit der ehrwürdigen Brigitte Mira. Ulrike klärt mich auf, es heiße nicht grünes Bier , sondern Berliner Weiße, das sei eine Art Sauerbier, und damit es nicht so sauer ist, süßt man es wahlweise mit Waldmeister- oder Himbeersirup. Es schmeckt absolut phantastisch, aber als Berlinerin weigert Ulrike sich, das Zeug zu trinken.
Sie schreibt wie Wolfgang Müller auch gerade an einem Westberlinbuch. «Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt», soll es heißen, es geht um ihre Jugend in Neukölln, in «old West-Berlin», das alte Rock It an der Karl-Marx-Straße, erste Liebe, Freundschaften, Brieffreundschaften, katholische Schule, Kirche, die BVG, und wie sie initiiert wurden mit dem, was ich grünes Bier nenne, seitdem hat sie das nicht mehr getrunken. Was das eigentlich sei, frage ich, Berliner Schnauze . Sie meint, das sei eigentlich etwas umständlich «um den Pudding herumreden», nur schnell etwas sagen, oft würde Geschwindigkeit mit Geistesgegenwart verwechselt, Hauptsache man liefert eine schnelle Entgegnung, witzig müsse das gar nicht sein. Aha, wie ich also. Sollte ich am Ende doch ein Berliner sein?
Ich gehe in die Gaststätte W. Prassnik in der Torstraße, auch sie ein beliebter Versammlungsort der Pappenschar. Hier werden Aktionen geplant («Das Onkel-Milgram-Leseexperiment», «Der Snickers Kongress») und Titel für Bücher gefunden («Haarweg zur Hölle»), außerdem spielen sie zwei Spiele, um die Zeit, dieses lästige Biest, totzuschlagen. Das eine heißt «Du hast den Bogen raus»: Reihum sagt einer eine Aufgabe, beispielsweise «Chemische Elemente, die nicht fest sind», «Tiere mit F» oder «Fünfte Beatles», dann «bietet» reihum jeder, wie viele richtige Antworten er oder sie sich zutraut. Wenn fertig geboten ist und keiner mehr weiterreizt, muss der Höchstbietende aufzählen. Da aber alle dazwischenschreien und hämisch sind, kommt man nie auf so viele, wie man eigentlich wüsste, Leistungsdruck de luxe. Wer sein Gebot schafft, kriegt einen Punkt, wer scheitert, zwei Minuspunkte.
Das zweite Spiel ist noch esoterischer. Jeder schreibt (verdeckt) eine beliebige natürliche Zahl auf. Dann werden die Zettel aufgedeckt, und die äußersten Zahlen werden paarweise gestrichen. Also wenn 1, 2, 3, 25, 1000, 1405985, 100000000 aufgeschrieben wurden, gewinnt die 25. Der Gewinner bekommt die 25 Punkte gutgeschrieben. Wenn es eine grade Anzahl Mitspieler sind, gibt es pro Runde zwei Gewinner, auch kein Problem. Das wird so oft wiederholt, wie sich Mitspieler am Tisch befinden. Sieger ist aber nicht der, der am Schluss die meisten Punkte hat, sondern der, der mit seiner Punktzahl seinerseits in der Mitte sitzt. Ein unglaublich hirnzerreißendes Spiel.
Jetzt aber sitze ich alleine im Prassnik und spiele ein Spiel mit mir selbst: Fragen, die niemand beantworten kann. Fünf Lieder von Billy MacKenzie bzw. The Associates, in denen ein Hund vorkommen:
1. «Whippets»
2. «Even Dogs in the Wild»
3. «Bap de la Bap»
4. «Ulcragyceptimol»
5. «White Car in Germany»
Ich habe gewonnen, und zwar eine Fassbrause, mit der ich
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