Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
vergoldete Kokosnüsse, und als Dritter in der kleinen Gruppe von Repräsentanten schweizerischen Kunstschaffens ist der siebenundsechzigjährige Dieter Meier dabei, den kennt man von Yello, diesem schauerlichen Prototechnoduo, bekannt durch die Erkennungsmelodie («Oh Yeah») des Duffman bei den Simpsons («Seid ihr bereit, euch heute zu beduffen?»). Auch er hat so einige berufliche Mäander in seinem Leben genommen, war Profipokerplayer in Knokke, Golfspieler (Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft), Großaktionär beim Gelddrucker Orell Füssli und besitzt in Argentinien 10000 Hereford-Rinder und 12000 Schafe, deren Fell mit einem von ihm entwickelten Scherverfahren veredelt wird. Und dann ist da noch seine Fluxuskunst. So fleißig er in anderen Bereichen ist, und meinetwegen so kreativ in Tierhaarfragen, so mager sieht es hier aus. Ich würde das, vorsichtig ausgedrückt, als kläglichen Versuch werten, Yoko Ono zu imitieren, wenngleich meilenweit davon entfernt, so subtil, klug und essenziell zu sein wie Ono.
Meier verbietet mir, ihn zu siezen, ich kann da schlecht raus aus dieser Nummer, obwohl es mir andersrum lieber wäre. Er ist überhaupt sehr streng, was ich aber gerne mag. Einmal bellt er mich im Kasernenhofton an: «Hast du dir deine Haare gewaschen?» Ich verstehe zunächst nicht, was er will, ob ich mir meine Hände gewaschen habe, warum sollte ich? Ich war doch gar nicht auf dem Abtritt, und nach Besuch desselben wasche ich mir grundsätzlich nie die Hände, mein Penis ist ja nicht schmutzig, ich wasche meine Hände, bevor ich pisse, vernünftigerweise, so viel resthygienisches Gewissen ist bei mir noch vorhanden, immerhin. Dann erklärt er, dass man seine Haare nicht zu oft waschen dürfe, sie müssten die Chance haben «rückzufetten», na ja, bei seinen Rindern vielleicht. Am Abend sitzen wir im Wirtshaus Pur Pur, da kriecht er plötzlich unter den Tisch: Er sucht im Finstern seinen Kamm. «Ein Mann muss immer wissen, wo sein Kamm ist», dröhnt es dumpf von unten durch den Tisch zu uns hoch. Man sieht ihm auch nach, wenn man seinen schneidigen Widerborst und seine offensichtliche Prinzipienfestigkeit respektiert, dass er sich fürchterlich über Pablo Picasso, ja sogar über Andy Warhol echauffiert, dass ihm das Ereifern ein großer Quell der Lebensfreude zu sein scheint, «Andy» hätte nicht alles, was man ihm unter die Nase gehalten hat, signieren dürfen. Ich frage ihn, der er ja mit «Andy» befreundet war, ob er diesen mal geküsst habe, denn ich weiß von meinem Freund und Nachbarn, dem zweiundachtzigjährigen Daniel Spoerri, der das einst gemacht hat, dass es so gewesen sei, als küsse man eine ausgeleierte Gummimaske, Meier schaut indigniert und zetert weiter, für ihn der Schlimmste aber sei Piet Mondrian, das sei doch esoterische Spökenkiekerei, durchsäuerte Kunst, Laubsägearbeiten seien das. Um ihn, den Schweizer, zu frotzeln, aber auch ganz im Ernst sage ich, dass ich seinen etwa gleichaltrigen Landsmann HR (Hansruedi) Giger für einen ganz großen Künstler hielte, ihn verehrte. Den «phantastischen» Horrormaler, Schöpfer düsterer Alienwelten, hat sogar einen Oscar, ich habe ihn einmal im Backstageraum der stilprägenden und immens einflussreichen Metalband Celtic Frost die Musiker schminken sehen. Dieter schaut mich an, als hinge mir der Dickdarm hinten raus. Er muss gar nichts sagen, ich kann mir vorstellen, was er von Giger hält, und von Celtic Frost will er angeblich noch nie gehört haben. Ich frage, wer schlimmer sei, Mondrian oder Giger? Seine Antwort: «Jackson Pollock.» Bei Kunst werden wir also nicht warm. Wer weiß, vielleicht wäre er mir bei Beuys an die Kehle gegangen, dann hätte er das erreicht, was ich eigentlich in der Redneckkneipe erreichen wollte, also spreche ich ihn auf Billy MacKenzie an, die verschwenderischste Stimme des Pops. Yello, beziehungsweise Dieters Partner Boris Blank hat den Song «The Rhythm Divine» produziert, den Billy für Shirley Bassey geschrieben hat, der beste Bondsong, der kein Bondsong ist, wer bei diesem Lied nicht in Ehrfurcht erstarrt, muss anstelle des Herzens einen Kühlschrank aus Stein haben, Billy selbst singt den Chor, ja, der arme Billy, sagt Dieter, aber Shirley sei eine «bitch» gewesen, jetzt hat er wieder Gelegenheit zum Schimpfen, wunderbar, sie habe sich für ihren Aufenthalt in Zürich einen Adligen gewünscht, irgendeinen Prinzen als Begleiter, und dann seien ihr die Perücken abhandengekommen (vielleicht
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