Run! - Es geht um dein Leben: Thriller (German Edition)
dringend.
»Das waren zwei Ihrer Leute«, sagte der afghanische Offizier, der den Tatort sicherte.
»Meine Leute.« Sie riss ihren Blick von den Kindern los. »Ich verstehe nicht.«
»Die Killer. Zwei Männer vom Außenministerium.«
»Die Leute, die die Kinder getötet haben, arbeiten für das Außenministerium?« In ihrer Stimme lag Entsetzen.
»Ja. In der Sicherheitsabteilung. Sie haben die Eltern gepackt und in den Kofferraum eines Wagens gesperrt, nachdem sie auf die ganze Familie geschossen hatten. Die Frau ist tot, der Mann verletzt. Er wird die Nacht wohl nicht überleben.« Der afghanische Offizier zuckte mit den Schultern. »Was haben diese Leute nur?«
Vochek wurde mit der Vernehmung der beiden Mitarbeiter aus dem Außenministerium beauftragt. Die afghanische Regierung fütterte die Medien mit einer sorgfältig konstruierten Geschichte, nach der zwei unbekannte Männer die Familie überfallen hatten.
Bei der Vernehmung stellte sich heraus, dass die beiden Männer tatsächlich für das Außenministerium arbeiteten. Ihre Befehle bekamen sie allerdings von einer geheimen Gruppe innerhalb des Außenministeriums, die in Kabul als privates Informationsnetzwerk tätig war. Die Gruppe verfolgte ihre eigenen Ziele und spionierte die aufständischen Taliban aus. Die Gruppe glaubte, die Eltern würden den Aufenthaltsort wichtiger Schlüsselfiguren der Taliban kennen. Einer der beiden Männer, dem der Finger sehr locker am Abzug saß, hatte die Kinder getötet, als sie vor den Angreifern zu fliehen versucht hatten.
»Das war ein Versehen«, sagte einer der Männer zu ihr. »Wir wollten nur die Eltern mitnehmen, um sie zum Reden zu zwingen. Die Kinder sind in Panik geraten. Sie sind weggelaufen. Wir konnten nicht zulassen, dass sie die Nachbarn wecken« – als wären Schüsse nicht zu hören -, »und da habe ich sie erschossen.« Der Mann weinte. »Weil niemand erfahren durfte, was wir tun. Niemand.«
Bei dem Gedanken daran, dass eine kleine, abtrünnige Truppe innerhalb des Außenministeriums illegal und im Geheimen operieren konnte, wurde ihr übel. Washington kehrte den Vorfall unter den Teppich. Die beiden Angestellten des Außenministeriums, die in der Abteilung für diplomatische Sicherheit arbeiteten, wurden in die Vereinigten Staaten zurückgeschickt und wegen weitaus weniger ernsten Verbrechen vor Gericht gestellt. Vochek protestierte. Man befahl ihr, den Vorfall zu vergessen. Und sie hatte keine Ahnung, was mit den anderen Mitgliedern des abtrünnigen Kaders innerhalb des Außenministeriums geschehen war – ob man sie vor Gericht gestellt oder entlassen hatte, oder ob man ihnen gesagt hatte, sie sollten bei ihren illegalen Operationen künftig etwas vorsichtiger vorgehen.
Es war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, und sie beschwerte sich bei ihrer Vorgesetzten darüber, mit einer Aktennotiz nach der anderen.
Die einzige Reaktion war unerträgliches Schweigen, bis Margaret Pritchard eines Nachmittags in Vocheks Büro auftauchte.
Pritchard war Ende fünfzig, eine gepflegte Frau mit aschblonden Haaren und einer etwas überdimensionierten Brille. Sie stellte sich als Mitglied einer Arbeitsgruppe des Heimatschutzes aus Washington vor, von der Vochek noch nie etwas gehört hatte. Pritchard schloss die Tür des Büros. »Es missfällt Ihnen, dass illegale Gruppen im Geheimen operieren.«
»Stimmt, das finde ich nicht gut.«
»Diese Gruppen sind eine Beleidigung für Sie.« Es war eine trockene Feststellung. »Ich habe Ihre Aktennotizen und Ihre E-Mails gelesen. Sie haben eine Schwäche für empörte Adverbien.«
»Ich habe keine Schwäche dafür, aber sie erfüllen ihren Zweck.«
Pritchard beugte sich zu ihr. »Würden Sie mir dabei helfen, mit diesen Gruppen Schluss zu machen?«
»Nein, danke.«
»Warum nicht?«
»Weil die Regierung gar nicht will, dass mit diesen dreckigen Hunden Schluss ist. Sie hatte ihre Chance. Ich habe miterlebt, wie zwei Männer, die eine ganze Familie ausgelöscht haben, lediglich einen Klaps auf die Hand bekommen haben. Noch so eine Farce mache ich nicht mit.«
»Dreckige Hunde. Das gefällt mir. Aber dies ist keine Farce. Die Regierung will, dass diese Gruppen aufgelöst werden, aber ohne Publicity und ohne Eingeständnis, dass sie je existiert haben. Sie sind im Lauf der Zeit immer mehr zum Problem geworden – zu viele Interessen, zu wenig Rechenschaftspflicht, zu viel Spielraum, und das alles nur, um Informationen und konkrete Ergebnisse zu bekommen. Man hat
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