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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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schüttelte den Kopf. »Wenn sie überhaupt Stricke haben. Warum hätten sie welche mitbringen sollen?«
    »Sie können sie jederzeit von den Nomaden kaufen.«
    Kurzes Schweigen senkte sich über die Gruppe.

    »Jedenfalls können wir nicht ewig hierbleiben«, sagte Marikani schließlich. »Wir müssen so schnell wie möglich von hier weg.« Die Haare klebten ihr im Gesicht, und sie hatte Blut auf der rechten Wange. »Aber in diesem Zustand würden wir nicht weit kommen.«
    Sie zog Brot und Trockenfrüchte hervor, die sie bei den Nomaden gekauft hatte, und reichte dann eine Feldflasche herum. Arekh trank, bevor er sich umsah. Vom Brunnen führten zwei lange Tunnel weg, deren glatte Wände aus dem gleichen Stein gehauen waren. Einer der Tunnel musste zum Brunnen der Nomaden zurückführen. Der andere folgte ohne Zweifel der Richtung des Bergkamms nach Süden.
    Lionor entblößte Mîns Schulter und wusch seine Wunde mit Wasser aus der Feldflasche; dann legte sie einen provisorischen Verband aus einem Leinenstreifen an.
    Oben war das Gebell verstummt.
    »Nach Süden«, sagte Marikani, die Arekhs Blick gefolgt war.
     
    Der Tunnel war so breit, dass sie zu zweit nebeneinander gehen konnten. Eine Ader weißen Steins lief links entlang und erhellte den Gang mit schwachem Licht. Mîn fuhr mit den Händen darüber; seine Augen leuchteten. Aber in Wirklichkeit hatte der Stein, der sehr unrein war, keinen großen Wert.
    Eine Stunde verging. Arekh war schwindlig. Er wartete darauf, dass Marikani und Lionor ihn fragen würden, warum er zurückgekommen sei, aber die beiden Frauen stellten keine einzige Frage.
    Bald erreichten sie einen zweiten Brunnen. Arekh ging voran und hob den Blick zur Erdoberfläche.
    Nichts. Oben sah man nur einen kleinen, runden Ausschnitt des Nachthimmels. Es begann zu schneien, und
einige Flocken tanzten langsam über Arekh hinweg, bevor sie auf den Boden trafen.
    Keine Spur von den Hunden. Kein Ruf, kein Gebell.
    Arekh war alles andere als beruhigt; er spürte eine schreckliche Vorahnung in sich aufsteigen. Irgendetwas ging da vor … Vielleicht hatte Mîn ja recht, und die Männer waren wirklich umgekehrt, um Stricke von den Nomaden zu kaufen.
    Die Flüchtlinge gingen weiter. Arekh fand sich an der Spitze neben Marikani wieder und erläuterte ihr seine Befürchtungen.
    »Ich fühle mich so hilflos!«, erklärte sie. »Ich habe nie gelernt zu kämpfen … Ich weiß nur ein bisschen etwas über den rituellen Kampf zu Ehren des Arrethas.«
    Arekh musterte sie erstaunt. Marikani hatte ganz natürlich das Wort ergriffen, als spräche sie mit einem altvertrauten Freund, nicht mit einem gefährlichen Galeerensträfling, der den anderen vor kaum zwei Tagen verkündet hatte, dass er sie ihrem Schicksal überlassen würde.
    Er schüttelte den Kopf - aber sogar diese Bewegung tat weh. »Das ist auch nicht Euer Beruf, Aya Marikani. Ihr habt andere Begabungen. Kampfgeschick ist nicht das, was Euer Volk von Euch erwartet. Es will, dass Ihr Handelsverträge abschließt, dass Ihr vor den Nachbarländern Eindruck macht, dass Ihr im Falle einer Überschwemmung schnell reagiert …«
    »Ich weiß.« Marikani lachte leise. »Wisst Ihr, was mir durch den Kopf gegangen ist, als wir den Pass überquert haben? Als wir die andere Seite der Berge zum ersten Mal gesehen haben?«
    Arekh warf ihr einen fragenden Blick zu, und Marikani fuhr fort: »Ich habe an die Karawanen gedacht, mit denen die Kaufleute aus Harabec Seide und Leinen die
Südstraße entlangbefördern. Die Freien Städte verlangen einen hohen Wegzoll dafür, dass wir ihre Grenzen überqueren … Und mit den Schleusen ist es noch schlimmer. Wenn der Pass gangbar wäre, wäre es vielleicht interessant, dort entlangzureisen. Der Umweg ist gewaltig - mindestens drei Wochen -, aber wenn unsere Kaufleute dafür den Wegzoll sparen …«
    »Es gibt keine Straße«, sagte Arekh mit gerunzelter Stirn. »Und ich bezweifle, dass der Emir Euch gestattet, eine zu bauen. Das wäre ein Bruch des Neutralitätsvertrags mit den Zwischenterritorien.«
    »In der Tat, Arekh Enh Aliz«, sagte Marikani mit einer Verneigung. »Aber als ich mit einer Hundemeute auf den Fersen durch den Schnee rannte, ist der Neutralitätsvertrag mit den Zwischenterritorien mir vorübergehend entfallen. Außerdem spielt es ohnehin kaum eine Rolle. Ich wollte Euch nur beweisen, dass Menschen nicht immer logisch reagieren, das ist alles.«
    Enh Aliz war der Ehrentitel der Ratgeber des Emirs, die für ihre

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