Runenschwert
dir Unglück gebracht?«
» Nein, du hast mir kein Unglück gebracht«, sagte ich. » Noch nicht. Doch Glück hast du mir auch nicht gebracht. Und den Raben hättest du auch nicht töten dürfen.«
» Er hätte ihn nicht schicken sollen, um mich auszuspionieren«, gab sie scharf zurück.
» Odin wird nicht sehr erfreut sein«, gab ich zu bedenken, » aber ich glaube, von Sighvat hast du jetzt noch mehr zu fürchten.«
» Freya wird den Einäugigen schon fernhalten«, sagte Svala zuversichtlich, » und wenn es um Seidr geht, kommt euer Sighvat gegen zwei Frauen wie uns nicht an.«
Ich seufzte, denn ein Gespräch mit ihr gab einem das Gefühl, als säße man bei aufziehendem Gewitter in einem offenen Boot. Nach allem, was vorausgegangen war, war das Durcheinander der Gefühle jetzt nur umso schlimmer.
» Ich möchte keinen Unfrieden zwischen Skarpheddins Mutter, dir, mir oder Sighvat«, erwiderte ich. » Aber du solltest dich von uns allen fernhalten.«
» Von dir auch?«
» Besonders von mir«, sagte ich patzig.
Sie stand auf, wischte sich den Sand von den Knien und sah mich an, lange und eindringlich. » Diese Hild«, sagte sie, während mir das Blut gefror. » Ich habe sie nachts gesehen, dunkel, mit ihrer Fylgja. Sie hat ein Schwert, und du hattest einst seinen Zwillingsbruder.«
Ich war wie erstarrt und brachte keinen Ton heraus. Hatte sie es wirklich gesehen, dort, im Jenseitigen, oder hatte sie mich im Schlaf sprechen hören?
Sie lächelte. » Ich habe besondere Gaben. Höre mir jetzt zu, dann werde ich dich nie mehr belästigen. Als Erstes solltest du wissen, dass Skarpheddin den Fähigkeiten seiner Mutter vertraut – und das sollte er auch. Thorhalla hat ihm versprochen, dass du das Geheimnis deines Schatzes preisgeben wirst, und es wäre das Einfachste für dich, wenn du es ihm einfach sagen würdest. Bevor er etwas … Schlimmes tut. Zweitens solltest du dir dein Schwert von Starkad zurückholen, denn es gehört dir.«
Ich schluckte schwer, als hätte ich Staub in der Kehle, aber ich war wütend auf sie. Dachte dieses kleine Mädchen wirklich, sie könne die Eingeschworenen einschüchtern?
» Aller Gaben einer Hexe sind drei«, brachte ich mühsam heraus. Das war gewagt, aber ich war jung und mir keineswegs sicher, ob ihre Gaben nicht eher auf einer guten Beobachtungsgabe als auf übernatürlichen Kräften beruhten.
Doch ihr Lächeln war süß wie eine Rumman-Frucht.
» Ich weiß auch, was es mit eurem geheimnisvollen Vater Barick auf sich hat«, sagte sie.
KAPITEL 9
Die Hitze des Tages hing noch über dem staubigen Gestrüpp, aber im Westen erstarb das Tageslicht und breitete blaugraue Schatten über die Hügellandschaft. Im Zwielicht erschienen die Olivenbäume blassviolett mit schwarzen Blättern, die trockene Luft roch nach Holzasche von den Feuern, die überall aufflammten wie rote Mohnblüten auf einem Feld. Und über allem breitete sich der durchdringende Gestank aus, den eine Armee mit sich bringt, eine Brechreiz erzeugende Mischung aus Leder, Eisen, Pferdemist und scharfem Schweißgeruch.
Ich hatte so etwas noch nie gesehen, noch würde ich es jemals wieder sehen. Ich hatte geglaubt, Rotstiefel würde ein paar hundert Mann mitbringen, aber hier marschierte halb Miklagard, und die Armee von Antiochien wirkte dagegen wie eine Knarr auf dem wogenden Meer aus Menschen, das sich von Tarsus her ausgebreitet hatte.
Zuerst hielten wir sie für eine Wolke, die wie ein blassbrauner Umhang im Norden auftauchte, und Bruder Johannes hieß uns die Vadmalzelte gut festmachen, denn er hatte in der Wüste am Toten Meer schlimme Sandstürme erlebt. Doch auch ich hatte so etwas schon gesehen, draußen in der Steppe, und ich wusste, es war kein Sandsturm. Es war der Staub, den die Armee des Strategos Johannes des Armeniers aufwirbelte, des Lieblings des Basileus, den sie Tzimiskes nannten – Rotstiefel.
Wie schon nach der Belagerung von Sarkel suchten auch hier die Gelehrten der Großen Stadt mich später auf, nachdem ich mir als Händler einen Namen gemacht hatte. Einer davon war Leo, der etwa in meinem Alter war; aber während ich in Antiochien in Reih und Glied gestanden hatte, hatte er in Konstantinopel auf den Knien gelegen und die Religion der Christen studiert. Später, als er seine Geschichten aufschrieb – wie Mönche zu tun pflegen –, war er als Leo der Diakon bekannt.
Doch da war alles, was jetzt geschah, bereits vergessen, und Johannes Tzimiskes’ Schlacht bei Aleppo war für die
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