Rush of Love - Verführt: Roman (German Edition)
lange durch. Irgendwann stellte ich sie zur Rede und verlangte, sie solle mir sagen, wer Nans Vater sei. Was hätte ich dafür gegeben, dass es meiner wäre! Ich wusste, mein Dad würde etwas mit ihr unternehmen. Mom erzählte mir, Nans Dad hätte eine andere Familie und zwei kleine Töchter, die er mehr lieben würde als Nan. Diese Mädchen wollte er, Nan dagegen nicht. Wie jemand Nan nicht haben wollte, kapierte ich nicht. Sie war meine kleine Schwester. Klar, ab und zu hätte ich sie am liebsten an die Wand geklatscht, aber ich liebte sie über alles. Dann kam der Tag, an dem Mom sie zu der Familie brachte, für die ihr Vater sich entschieden hatte. Danach hat sie monatelang geweint.« Er verstummte, und ich sank aufs Bett. Er kannte keine Gnade. Ich brachte ihn einfach nicht zum Schweigen.
»Ich hasste diese Mädchen«, fuhr er fort. »Ich hasste diese Familie, die Nans Dad ihr vorgezogen hatte. Ich schwor, eines Tages würde er dafür büßen. Aber Nan meinte immer, eines Tages würde er zu ihr kommen. Sie gab sich Tagträumen hin, dass er sie sehen wolle. Diese Träume habe ich mir jahrelang angehört. Mit neunzehn habe ich mich dann auf die Suche nach ihm gemacht. Seinen Namen kannte ich. Und ich machte ihn ausfindig. Ich habe ihm ein Foto von Nan dagelassen, auf dem hinten drauf unsere Adresse stand. Ich sagte ihm, er habe noch eine Tochter, die etwas Besonderes sei und ihn einfach nur mal treffen und mit ihm reden wolle.«
Das lag fünf Jahre zurück. Mir drehte sich der Magen um. Vor fünf Jahren hatte ich Valerie verloren. Dad hatte uns vor fünf Jahren verlassen.
»Ich hab’s aus Liebe zu meiner Schwester getan. Ich hatte ja keine Ahnung, was seine andere Familie durchmachen musste. Ehrlich gesagt, war mir das aber auch egal. Mir ging es um Nan. Ihr wart die Feinde. Doch dann kamst du in mein Haus. Und hast meine Welt auf den Kopf gestellt. Ich hatte mir immer geschworen, ich würde niemals ein schlechtes Gewissen haben, weil ich eine Familie zerstört hatte. Schließlich hatten die ja auch Nans Familie zerstört. Doch in jedem Augenblick, den ich mit dir verbrachte, wuchsen meine Schuldgefühle. Dir in die Augen zu sehen, als du mir von deiner Schwester und deiner Mom erzählt hast. Gott, ich schwöre, das hat mir das Herz zerrissen, Blaire! Darüber werde ich nie hinwegkommen.« Rush stand auf und kam zu mir, und ich war nicht imstande, mich zu rühren. Ich verstand ihn. Wirklich! Doch auch mein Herz war zerrissen. Alles war eine Lüge. Mein ganzes Leben. Eine einzige Lüge. Die ganzen Erinnerungen.
Die Weihnachtsfeste, für die Mom Plätzchen gebacken hatte und an denen Dad Valerie und mich hochgehoben hatte, damit wir die Baumspitze dekorieren konnten … alles Lug und Trug. Ich glaubte Rush. Was aber nichts an meiner Meinung über meine Mutter änderte. Sie war ja nicht hier, um ihre Version der Geschichte erzählen zu können. Ich wusste genug, um von ihrer Unschuld überzeugt zu sein. Daran gab es keinen Zweifel. Dafür war ganz allein mein Vater verantwortlich.
»Ich schwöre dir, ich würde alles ungeschehen machen, wenn ich könnte, sosehr ich meine Schwester auch liebe. Ich hätte mich NIE zu deinem Vater aufgemacht. Niemals! Es tut mir so leid, Blaire. So verdammt leid!« Ihm versagte die Stimme, und als ich den Blick hob, sah ich, dass seine Augen feucht waren, feucht von unvergossenen Tränen.
Hätte er meinen Dad nicht aufgesucht, wäre alles anders verlaufen. Aber keiner von uns konnte die Uhr zurückdrehen, sosehr wir es uns vielleicht auch wünschten. Das brachte keiner mehr in Ordnung. Nan hatte jetzt ihren Vater. Sie hatte, was sie sich immer gewünscht hatte. Georgianna ebenso.
Ich hatte mich.
»Ich kann dir nicht sagen, dass ich dir verzeihe«, sagte ich. Denn ich konnte es nicht. »Aber ich kann dir sagen, dass ich verstehe, warum du es getan hast. Es hat meine Welt verändert. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
Eine einzelne Träne rann Rushs Wange hinab. »Ich möchte dich nicht verlieren«, erwiderte er. »Ich liebe dich, Blaire. Noch nie habe ich etwas oder jemanden so gewollt, wie ich dich will. Eine Welt ohne dich ist für mich unvorstellbar.«
Ich würde immer nur mich haben. Denn dieser Mann hatte mir mein Herz geraubt und es zerstört, wenn auch unabsichtlich. Ich hätte nie mehr genug Vertrauen, um noch einmal zu lieben.
»Ich kann dich nicht lieben, Rush.«
Ein ersticktes Schluchzen erschütterte seinen Körper, während er seinen Kopf in meinen Schoß
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