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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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ohne Namen.
    Kaum hatte Akbar die Geschichte der verschwiegenen
Prinzessin vernommen, befahl er seinem Lieblingsmaler
Dashwanth, sich mit ihm am Ort der Träume beim besten
aller möglichen Becken zu treffen. Als Akbar seinerzeit
mit kaum vierzehn Jahren den Thron bestiegen hatte, war
Dashwanth ein allem Anschein nach dummer und
schrecklich schwermütiger Junge gleichen Alters gewesen, dessen Vater zu den Sänftenträgern des Herrschers
gehörte. Insgeheim aber war Dashwanth ein großer
Zeichner, dessen Genie sich immer deutlicher bemerkbar
machte. Nachts, wenn er sicher sein konnte, dass niemand ihn beobachtete, malte er Graffiti auf die Mauern
von Fatehpur Sikri - keine obszönen Bilder oder Worte,
sondern Karikaturen der Mächtigen am Hofe, die er so
grausam akkurat traf, dass alle Welt entschlossen war,
seiner habhaft zu werden, um ihm so rasch wie möglich
die satirischen Hände abzuschlagen. Akbar rief Abul Fazl
und den obersten Gebieter des königlichen Ateliers, den
Perser Mir Sayyid Ali, zu sich an den Ort der Träume.
«Ihr solltet ihn vor seinen Feinden finden», sagte er,
«denn wer auch immer er sein mag, wir wollen nicht,
dass ein solches Talent sein Ende durch das Schwert eines aufgebrachten Edelmannes findet.» Eine Woche später kehrte Abul Fazl zu ihm zurück und zog ein kleines,
dunkles, mageres Kerlchen am Ohr hinter sich her.
Dashwanth wand sich und protestierte lauthals, doch
Abul Fazl zerrte ihn bis vor seinen Herrscher, der Pachisi
mit menschlichen Figuren spielte. Mir Sayyid Ali folgte
dem Missetäter wie ein Gefangenenwärter auf dem Fuße,
und es gelang ihm, zugleich begeistert und grimmig
dreinzuschauen. Der Herrscher blickte kurz von seinen
menschlichen Spielfiguren auf, den hübschen schwarzen
Sklavinnen, die wartend auf dem Pachisi-Brett ausharrten, befahl Dashwanth, sich auf der Stelle ins herrschaftliche Atelier zu begeben, und verbot jedermann am Hofe,
ihm ein Leid anzutun.
Selbst die oberste Hebamme Maham Anaga, des Herrschers niederträchtige Tante, wagte angesichts dieses
Befehls nicht, gegen Dashwanth vorzugehen, obwohl
keines seiner Werke so grausam und prophetisch gewesen war wie jenes Porträt, das er von ihr und ihrem Sohn
Adham gezeichnet hatte. Ihre Karikatur war an der Außenmauer des Bordells Hatyapul aufgetaucht. Zur allgemeinen Belustigung der einfachen Menschen wurde Maham Anaga als meckernde, blaugesichtige Hexe dargestellt, umgeben von blubbernden Tinkturen, wohingegen
ihr schniefender, mörderischer Sohn Adham nur als
Spiegelbild in einer der größeren Glasretorten zu sehen
war, wie er kopfüber von der Stadtmauer stürzte. Als
Adham sechs Jahre später bei einem wahnwitzigen Umsturzversuch über Akbar herfiel und vom Herrscher später dazu verurteilt wurde, von den Stadtmauern geworfen
zu werden, erinnerte sich der Monarch mit Erstaunen an
Dashwanths Prophezeiung. Aber Dashwanth sagte, er
könne sich nicht daran erinnern, und da das Bild schon
vor langer Zeit von der Bordellmauer abgewischt worden
war, musste sich der Herrscher allein auf sein Gedächtnis
verlassen und konnte sich nur staunend fragen, wie sehr
sein Wachleben wohl von seinen Träumen bestimmt war.
Dashwanth wurde rasch zu einem der gefragtesten Künstler in Mir Sayyid Alis Atelier, und er machte sich einen
Namen damit, bärtige, auf verzauberten Kesseln durch
die Luft fliegende Riesen zu malen, haarige, picklige
Kobolde, Devs genannt, gewaltige Meeresstürme, blaugoldene Drachen und himmlische Hexenmeister, die helfend eine Hand aus den Wolken streckten, um Helden
vor Schaden zu bewahren, Bilder also, mit denen er die
wilde, phantasievolle Einbildungskraft des jugendlichen
Herrschers nährte. Immer und immer wieder malte er den
legendären Helden Hamza auf seinem dreiäugigen Märchenpferd, wie er die unglaublichsten Ungeheuer besiegte, und er begriff besser als jeder andere Künstler im
vierzehn Jahre dauernden Hamza-Zyklus, dem ganzen
Stolz des Ateliers, dass er der Traumbiographie des Herrschers Ausdruck gab, dass seine Hand zwar den Pinsel
hielt, es jedoch die Visionen des Regenten waren, die vor
ihm auf der Leinwand Gestalt annahmen. Ein Herrscher
ist die Summe seiner Taten, und wie bei Hamza, seinem
Widerpart, bewies sich Akbars Größe nicht nur durch das
triumphale Überwinden enormer Hindernisse - den Sieg
über widerspenstige Prinzen, echte Drachen und dergleichen mehr -, sie wurde durch solche Triumphe erst geboren. Der Held auf

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