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Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
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dass sich der Herrscher ebenfalls
vorbeugen musste, um sie verstehen zu können. «Makhdum, ja, so hieß ihre Mutter, die letzte große Liebe von
Umar Scheich Mirza. Und die Kleine hieß Qara Köz -
Qara Köz, genau, das war’s! Khanzada hat sie aus tiefster Seele gehasst, wenn auch natürlich nur bis zu dem
Tag, an dem sie beschloss, das Mädchen stattdessen zu
lieben.»
Gulbadan erinnerte sich an die Geschichten, die man sich
über die Eitelkeit der Khanzada Begum erzählt hatte.
Jeden Morgen, wenn Dame Khanzada sich erhob (berichtete sie dem Herrscher, musste ihre oberste Hofdame
ausrufen: «Seht her, sie erwacht, Khanzada Begum, die
schönste Frau der Welt schlägt die Augen auf und betrachtet das Reich ihrer Schönheit.» Und wenn sie ihrem
Vater Umar Scheich Mirza ihre Aufwartung machte, verkündeten die Herolde: «Seht her, hier kommt sie, Eure
Tochter, die schönste Frau der Welt, sie, deren Schönheit
Eurer Macht in nichts nachsteht», und wenn sie das Boudoir ihrer Mutter betrat, hörte Khanzada Ähnliches von
der Drachenkönigin, von Qutlugh Nigar Khanum, aus
deren Augen Flammen schlugen und Rauch aus ihren
Nüstern, denn lauthals trompetete sie beim Eintreffen
ihrer Tochter: «Khanzada, schönste Tochter der Welt,
komm her, bereite meinen alten Augen ein Fest.»
Dann aber wurde Makhdum Sultan Begums jüngste Prinzessin geboren, und vom Tage ihrer Geburt an nannte
man sie Qara Köz, was schwarze Augen heißt, besaßen
ihre Augäpfel doch die außergewöhnliche Macht, jeden
zu bezaubern, auf den ihr Blick fiel. Seit diesem Tag
musste Khanzada eine leichte Änderung im Tonfall ihrer
täglichen Verherrlichungen feststellen, ein Maß an
Unaufrichtigkeit, das sie nicht mehr akzeptabel fand. In
den folgenden Jahren gab es eine Serie von Mordanschlägen auf das kleine Mädchen, die aber in keinem Fall
zu Khanzada zurückverfolgt werden konnten. So fand
sich etwa Gift in einer Tasse Milch, von der Schwarzauge trank, doch blieb das Mädchen unversehrt, wohingegen sein Schoßhund, dem es den letzten Schluck überlassen hatte, gekrümmt vor Schmerzen starb. Später wurden
einem anderen Getränk zerstoßene Diamanten beigemengt, um das schöne Kind jenen schrecklichen Tod
sterben zu lassen, den man auch «Feuertrank» nannte,
doch richteten die Diamanten in ihr keinen Schaden an,
weshalb der Mordversuch auch erst aufgedeckt wurde,
als eine Kammerzofe den königlichen Abtritt putzte und
die Steine im Kot der Prinzessin blitzen sah.
    Als offenkundig wurde, dass Schwarzauge übermenschliche Kräfte besaß, hörten die Mordanschläge auf, und
Khanzada Begum überwand ihren Stolz, änderte ihre
Taktik und begann, die kindliche Rivalin zu verhätscheln
und verzärteln. Es dauerte nicht lange, da war die ältere
Halbschwester dem Zauber des jüngeren Mädchens erlegen, und bald erzählte man sich am Hofe von Umar
Scheich Mirza, seine jüngste Tochter sei die Wiederverkörperung der legendären Alanquwa, der mongolischen
Sonnengöttin, der Urahnin von Temüdschin, von Jenghis
oder Dschingis Khan, die sich, da sie über das Licht
herrschte, auch die Geister der Dunkelheit dienstbar zu
machen wusste, indem sie mit Erleuchtung drohte und so
die Schatten löschte, wo immer sie sich verbargen. Ein
religiöser Kult der Sonnenanbetung entstand rund um das
heranwachsende Kind.
    Er hielt nicht lange vor. Ihr geliebter Vater, der padishah,
der König also, erlag alsbald seinem grausamen Schicksal. Er war zur Feste Akhsi gereist, unweit von Andijon -
ach, Akhsi, wo die köstlichen mirtimurti-Melonen wachsen! Akhsi, das Dashwanth direkt am Rand einer tiefen
Schlucht malte -, und als er seine Tauben im Verschlag
aufsuchte, gab der Boden unter ihm nach, sodass der padishah mitsamt Tauben und Verschlag in die Schlucht
stürzte und auf immer verloren war. Schwarzauges Halbbruder Babar wurde mit zwölf Jahren zum Herrscher
gekrönt, das Mädchen war damals erst vier Jahre alt. Inmitten dieser Tragödie und des anschließenden Durcheinanders vergaß man Qara Köz’ Macht okkulter Erleuchtung, und Alanquwa, die Sonnengöttin, zog sich wieder
an ihren angestammten Platz im Himmel zurück.
Den Sturz des Umar Scheich Mirza, des Urgroßvaters des
Königs der Könige, zeigte eines von Dashwanths besten
Bildern. Der padishah wurde kopfüber vor der Schwärze
der Schlucht dargestellt, beiderseits stürzten die Felswände an ihm vorbei, und verborgen im komplizierten
Muster des Bildrandes waren

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