Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rushdie Salman

Rushdie Salman

Titel: Rushdie Salman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die bezaubernde Florentinerin
Vom Netzwerk:
monströse Admiral Andrea wie jeder tumbe Riese eine Schwäche für derartige
Erzählungen besaß. Wenn sich abends das Meer schwarz
färbte und die Sterne Löcher ins Firmament brannten,
pflegte sich der Admiral unter Deck eine Opiumpfeife
anzuzünden und nach dem randvoll mit Geschichten gefüllten Jungen zu rufen. «Da Eure Genueser Schiffe alle
Trieren sind», begann Argalia, «solltet Ihr auf dem ersten
Deck Käse mit Euch führen, Brotkrumen auf dem zweiten und fauliges Fleisch auf dem dritten. Kommt Ihr dann
zur Insel der Ratten, gebt ihnen den Käse, die Brotkrumen werden die Bewohner der Ameisenin-sel erfreuen,
und das faulige Fleisch, nun, das lieben die Vögel der
Geierinsel. Danach habt Ihr mächtige Verbündete. Die
Ratten nagen sich für Euch durch jedes Hindernis, sogar
durch Berge, und die Ameisen leisten Euch all die Dienste, die für menschliche Hände zu delikat und fein sind.
Wenn Ihr die Geier aber nett bittet, fliegen sie Euch sogar
auf den Gipfel des Berges, auf dem der Quell ewiger Jugend entspringt.»
Andrea Doria grunzte. «Aber wo finde ich diese verdammten Inseln?», wollte er wissen.
«Admiral», erwiderte der Junge, «Ihr gebt den Kurs an,
nicht ich. Sie werden schon irgendwo auf Euren Karten
eingetragen sein.» Trotz dieser frechen Antwort lebte er
noch am nächsten Tag, um eine weitere Geschichte zu
erzählen - Es waren einmal drei Apfelsinen, und in jeder
steckte ein wunderschönes Mädchen, das sterben musste,
wenn es nicht auf der Stelle Wasser bekam, sobald es die
Apfelsine verließ -, und der in Rauchwolken gehüllte
Admiral murmelte ihm im Austausch Vertraulichkeiten
zu.
Das Meer war voller Mord und Totschlag. In diesen Gewässern marodierten, plünderten und kidnappten die
Berberpiraten, und seit dem Fall von Konstantinopel war
hier gleichfalls die osmanische Marine aktiv, die Galeerenflotte der Osmanli-Türken. Diesen maritimen Ungläubigen hielt Admiral Andrea Doria nun sein pockennarbiges Gesicht entgegen. «Ich vertreibe sie vom Mare Nostrum und mache Genua zur Herrin der Wellen», prahlte
er, und Argalia wagte keinen Widerspruch und kein skeptisches Wort. Andrea Doria beugte sich zu dem still gewordenen Jungen vor, die Augen milchig vor lauter afim.
«Was du weißt und was ich weiß, das weiß auch der
Feind», flüsterte er ihm traumverloren in seinem Opiumrausch zu. «Sogar der Feind folgt dem Gesetz eines Waisenkindes.»
«Wen meint Ihr?», fragte Argalia. «Mahomet», erwiderte
An-drea Doria. «Mahomet, ihren Waisengott.»
Argalia hatte nicht gewusst, dass er seinen Waisenstatus
mit dem Propheten des Islam teilte. «Der Zweck heiligt
die Mittel», fuhr Andrea Doria mit träger, schwerer
Stimme fort. «Verstehst du? Sie leben nach derselben
Regel wie wir. Das eine und einzige Gebot. Wir tun, was
nötig ist. Ihre Religion ist also dieselbe wie unsere.»
Argalia holte tief Luft und stellte gefährliche Fragen.
«Wenn das stimmt», sagte er, «sind sie dann wirklich
unsere Feinde? Steht der wahre Gegner nicht immer im
Gegensatz zu uns? Kann das Gesicht, das wir im Spiegel
sehen, unser Feind sein?»
Admiral Doria versank schon fast in Bewusstlosigkeit.
«Ganz recht», murmelte er noch, ehe er in den Sessel
zurückfiel und zu schnarchen begann. «Außerdem gibt es
da einen Feind, den ich noch stärker hasse als dieses mohammedanische Piratengesindel.»
«Und der wäre?», fragte Argalia.
«Venedig», sagte Doria. «Diese venezianischen Gecken
mache ich auch noch fertig.»
Während die acht Genueser Trieren in Kampfformation
über das Meer fuhren und ihre Beute jagten, begriff Argalia, dass die Religion bei alldem keine Rolle spielte.
Die Korsaren der Berberstaaten dachten gar nicht daran,
irgendwas zu erobern oder ihren Glauben zu verbreiten.
Sie interessierten sich ausschließlich für Lösegeld, für
Gewalt und Erpressung. Und was die Osmanen betraf, so
wussten sie, wenn die neue Hauptstadt Stambul überleben wollte, mussten Lebensmittel von andernorts in den
Hafen gelangen und die Schifffahrtsrinnen offen bleiben.
Zudem wurden sie allmählich raffgierig und schickten
Schiffe aus, um Hafenstädte, aber auch Städte abseits der
Ufer des Ägäischen Meeres anzugreifen; und für Venezianer hatten sie erst recht nichts übrig. Macht, Reichtum,
Besitz, Reichtum und Macht. Argalia kamen nachts jetzt
ebenfalls Träume, in denen es vor exotischen Juwelen
nur so wimmelte. Allein in seiner Koje auf dem Vorderdeck, schwor er sich:

Weitere Kostenlose Bücher