Russen kommen
unterlegen. Mir geht es nicht um PS . Ich mag das Gefühl der Unabhängigkeit. Und besonders hat mich begeistert, dass im Kofferraum ein Campingtisch integriert ist. Gründe, warum sich Frauen für ein Auto entscheiden … Würde ich ganz schön sexistisch finden, so eine Reportage, in der es Frauen um Accessoires und Lackfarben und Campingtische geht, aber nicht um Motorleistung und Ähnliches. Hm. Ich muss zugeben, ich hab mir noch kein Auto wegen der Motorleistung gekauft. Nicht dass ich sie mir nicht ansehe, sie muss schon stimmen, aber ob mir ein Auto sympathisch ist, entscheidet sich an anderem. An … Accessoires, an der Lackfarbe, daran, ob die Fenster groß genug sind. Das wenigstens ist rational, hat mit Sicherheit zu tun.
Ich bin vor Oskar aufgestanden und davongeschlichen, noch bevor er wach war. Ich genieße das frühe Morgenlicht und fühle mich nicht müde, vielmehr euphorisch. Zumindest momentan. Ich werde mir den Russenfriedhof ansehen. Mit Leuten aus dem Ort reden. Sie wissen noch nicht, dass Dolochow tot ist. Oder gibt es einen, gibt es welche, die es sehr wohl wissen? Ich werde herausfinden, wo der Reporter steckt, der die Geschichte im »Weinviertelboten« geschrieben hat. Es ist gut möglich, dass die Ermittler in Wien von der Sache mit der Kapelle noch keine Ahnung haben. Vielleicht kann ich meinen Vorsprung nützen. Jedenfalls wird es ein Bestandteil meiner Story über Dolochow: Der Ort, in dem sein Großvater gefallen ist und in dem er eine Kapelle bauen wollte. Inklusive trauerndem Bürgermeister. Und natürlich werden auch die beiden Russen von der Brünner Straße vorkommen.
Ich sehe auf das Display meines Mobiltelefons. Sorger hat mich immer noch nicht zurückgerufen. Erstaunlicherweise hat auch Oskar nicht versucht, mich zu erreichen. Jetzt ist er sicher schon wach. Üblicherweise ist er derjenige, der kein Problem damit hat, früh aufzustehen. Was sage ich ihm, wenn er sich meldet? Vielleicht ist es am besten, das Telefon auszumachen? Sei nicht kindisch, Mira. Du wirst Oskar sagen, dass es eben in gewisser Hinsicht dein Job ist, Nachforschungen anzustellen. Ist es das? Ich sollte mit Vesna reden. Dringend. Aber nicht über das Mobiltelefon. Ich denke an diverse Geheimdienste. Quatsch, die braucht es dafür gar nicht. Bei Bedarf können selbst ganz normale Polizeibehörden Telefone überwachen.
Ich parke mein Auto auf dem Hauptplatz. Morgendliche Idylle. Frauen, die mit Einkaufskörben in den örtlichen Ableger einer Supermarktkette pilgern. Wenige Autos, Bäume in jungem Grün, eine Hausfassade wird gestrichen. Sonnengelb. Und hier in der Nähe soll im Jahr 1945 eine Schlacht gewesen sein? Sollen Menschen gestorben sein, »gefallen«, wie das heißt?
Ich sehe ein Gasthaus, denke an Frühstück und Kaffee, vielleicht sogar an ein kleines Gulasch, aber die Tür aus Alu und kakaobraunem Pressglas ist noch versperrt.
Auf der anderen Seite des Platzes eine Bäckerei mit angeschlossenem Kaffeehaus. Also kein Gulasch, sondern ein Butterkipferl. Ohnehin besser für den Magen, tröste ich mich. Ich nehme einen der kleinen runden Tische ganz nah am Fenster, das auf den Hauptplatz hinausgeht, und bestelle. Drei jüngere Frauen trinken Kaffee und haben die Köpfe zusammengesteckt. Sie werden doch nicht über Dolochow … Aber dann kann ich Gesprächsfetzen aufschnappen wie: »Achtzehn Jahre ist er erst.« Und: »Wie wollen sie das großziehen?«
Das Butterkipferl schmeckt so großartig, dass ich mir noch eines bestelle. Es ist warm, ich bestreiche es dick mit Butter, sie schmilzt zum Teil, ich beiße mit Genuss hinein. Kein einziger Mann ist im Café zu sehen, seltsamerweise würde ich mir von Männern mehr Information über Dolochow und seinen toten Großvater erwarten. Weil es mit Krieg zu tun hat? Weil es mit Geld zu tun hat?
Zwei ältere Frauen an einem anderen Tisch beäugen mich neugierig. Eine Fremde. Und das alleine. Was macht die hier?
»Das Butterkipferl schmeckt großartig«, fange ich ein Gespräch mit ihnen an. »Die Bäckerei ist wirklich gut.«
»Sie sind nicht von da?« Eine Frage, die eigentlich gar keine ist, sondern eine Feststellung.
Ich kaue und nicke. Angriff. »Ich hab gehört, hier soll ein ganz reicher Russe investieren.«
Die beiden schütteln zweifelnd den Kopf.
»Na, ich weiß nicht«, sagt die mit der roten Jacke. »Wenn sich unser Bürgermeister da nicht wieder einmal zu viel erwartet. Der will nur eine Kapelle für seinen Großvater, der Russe.«
»Besser
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