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Russen kommen

Russen kommen

Titel: Russen kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Plötzlich geht das Licht im Stiegenhaus wieder an. Ich starre durch den Spion. Der schlanke Mann steht vor der Nachbartüre und sperrt auf. Drinnen höre ich das leise Lachen der Studentin. Sie scheint einen neuen Freund zu haben.
    Jetzt schenke ich mir doch noch einen Whiskey ein. Mit jedem Schluck nimmt das Zittern ab. Und als ich aufwache, liege ich mit dem Kopf auf dem Küchentisch, neben mir das halb ausgetrunkene Glas. Ich blinzle zur Küchenuhr. Halb vier. Gismo schnurrt, als ich ins Bett krieche. Ich schlafe tief und traumlos und erschrecke, als um acht mein Handywecker lärmt. »Noch eine Stunde«, handle ich mit mir und drehe mich auf die andere Seite. Da fällt mir ein, dass heute Deadline für meine Reportage ist. Kein Spielraum. Der offizielle Redaktionsschluss war schon gestern.
    Nur vierzig Minuten später passiere ich die hohe gläserne Eingangstür zum »Magazin«.
    Das Großraumbüro ist heute spärlicher besetzt als sonst, das ist am Tag nach Redaktionsschluss meistens so. Ich beneide alle, die ihre Storys bereits fertig und beim Layouten haben. Eine SMS . Oskar. Nein. Vesna. »Bin in halbe Stunde im Magazin – ok?« Ich gehe auf »Antworten«, tippe »ok« und sende. Es ist noch nicht einmal neun, kann Vesna seit gestern Abend Neues herausgefunden haben? Ich blättere hastig die heutigen Tageszeitungen durch, nichts über den Mord an Dolochow. Telefon. Schon wieder Vesna? Diesmal ist es Oskar. Er sei mit einem Klienten »abgestürzt«, habe von daheim aus noch versucht, mir eine SMS zu schicken, sei dabei aber eingeschlafen und erst jetzt wieder aufgewacht. Er verträgt eine Menge. Ich habe ihn noch nie betrunken gesehen. Ich bin misstrauisch. Aber ich bin auch froh, endlich von ihm zu hören. Und ich habe sowieso an anderes zu denken. Noch während ich mit ihm vereinbare, heute, aber ganz sicher, gebe es einen Abend zu zweit bei mir, fahre ich meinen Computer hoch.
    »Sei vorsichtig«, sagt er zum Abschied.
    Am Computer kann mir wohl nichts passieren, denke ich und überlege mir die Struktur der Reportage. Die Fotos haben wir schon ausgewählt, das größte zeigt eine gefesselte Hand des Toten auf dem Liegestuhl, dahinter die Dachterrasse und etwas vom Panorama mit der Wiener Innenstadt. Ein eindrucksvolles Bild, und was der schwarze Fleck auf dem Handrücken zu bedeuten hat, kann man nur erahnen. Ein anderes Bild zeigt den anonymen Brief, den wir beim Toten gefunden haben, ein weiteres eine Skipiste am Arlberg mit nicht identifizierbaren Skifahrern. Und ein Porträt von Dolochow, auf dem er dem russischen Präsidenten die Hand schüttelt, gibt es natürlich auch.
    Was weiß ich? Dolochow oder ein Doppelgänger wurde ermordet und zuvor gefoltert. Am Arlberg wollte er Geschäfte machen, die vorerst geheim bleiben sollten. Aus dem »Zirben« ist Dolochow samt Begleitung und Pomerol geflohen. Ich muss so schnell wie möglich nach Zürs, um zu klären, ob Guggenbauer mehr weiß. Oder ob er übertrieben hat. Im Zusammenhang mit reichen Russen geht offenbar so einigen die Fantasie durch. Hoffentlich nicht mir. Ich seufze. Über die geplante Kapelle für Dolochows Großvater werde ich natürlich auch erzählen. Ewig schade, dass ich nicht daran gedacht habe, das Soldatengrab zu fotografieren. Samt Wodkaglas. Alles zusammen eine super Story. Und eine, von der meine Kollegen noch immer keine Ahnung zu haben scheinen. Aber: Ich möchte wissen, wann Dolochow genau gestorben ist. Und …
    Vesna. Ich habe sie gar nicht kommen gehört.
    »Die junge schlanke Russin, die du am Arlberg gesehen hast, war immer wieder bei Dolochow in der Wohnung«, sagt sie anstelle einer Begrüßung. »Die türkische Putzfrau weiß nicht viel, nur dass auf Bettwäsche eindeutige Spuren waren. Die Putzfrau, die Pharmafirmenwohnung putzt, hat mehr gesehen. Sie hat erzählt, dass nicht nur die Russin, sondern ab und zu auch andere Russen da waren: Ein großer Blonder – kann sein, es ist der vom Arlberg –, er hat auf Dolochow auch öfter in einem Auto gewartet. Und ein jüngerer Russe, schlank, mittelgroß, unauffällig, aber immer mit teurem Anzug und Krawatte. Der ist auch einmal mit der jungen Frau gekommen, er hat sie ›Sonja‹ genannt, zumindest hat es sich so angehört, sagt die Putzfrau, natürlich sie versteht kein Russisch, sie kommt aus dem Burgenland.«
    »Und wenn es nichts zu sehen gibt, putzt deine Informantin auch hin und wieder?«
    Vesna grinst. »Ich hoffe. Aber kann nur gut sein für uns, wenn eine neugierig

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