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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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standen zwei Männer. Ein junger Mann, den ich nicht kannte, fast noch ein Jugendlicher, unpassend gekleidet in einem schmuddeligen Sweatshirt. Aber daneben, und ich hatte darüber keinen Zweifel, stand der Mann, den ich vor der Pension in Leukerbad beobachtete hatte. Für einige Augenblicke verfiel ich in die Starre wie in der Schlucht. Aber ich war hier nicht allein, sondern unter vielen Leuten. Trotzdem trat ich noch etwas weiter nach hinten.
    Pereira war auf seinem Platz stehen geblieben. Jetzt löste er sich von der Gruppe beim Grab und ging mit einem entschlossenen Ausdruck auf die beiden Männer zu. Der Jüngling im Sweatshirt bemerkte Pereira, erschrak und begann davonzulaufen. Der andere Mann rief Pereira halblaut etwas zu. Ich verstand nur Wortfetzen, etwas wie Job behalten und ins Gefängnis bringen. Pereira stoppte in seiner Bewegung, fassungslos und wütend, und tat so, als ob er mit den Fäusten auf den Mann losgehen wollte. Es sah lächerlich aus, wie er, ziemlich dick und in einem zu engen Anzug, die geballten Fäuste in die Luft hielt. Ein paar Leute aus der Gruppe um das Grab hatten die Unruhe bemerkt und sich umgedreht. Der Unbekannte aus Leukerbad wandte sich gleichmütig ab und ging mit ruhigen Schritten davon.
    Es war ein Leichtes, dem Mann im Abstand von ein paar Grabreihen zu folgen, er blickte kein einziges Mal zurück. Der Jüngling im Sweatshirt erwartete ihn in der Nähe des Ausgangs. Die beiden verliessen den Friedhof, überquerten die Strasse, gingen zur Bushaltestelle. Ich blieb hinter dem Bushäuschen der Gegenrichtung stehen. Als der Bus kam und den beiden die Sicht verdeckte, überquerte auch ich die Fahrbahn. Ein paar schnelle Schritte und es reichte mir gerade noch, um bei der hintersten Tür einzusteigen. Über ein paar Sitzreihen hinweg sah ich vorne im Wagen das graue Sweatshirt des jungen Typen. Ich atmete auf. Ich hätte ihnen beim Einsteigen auch geradewegs in die Arme laufen können.
    Ich schwitzte während der ganzen Fahrt, auch aus Angst, dass ein Kontrolleur einsteigen und die Aufmerksamkeit im Bus auf mich lenken könnte. Am Bahnhofsplatz stiegen die beiden Männer aus, ich folgte ihnen im Gedränge. Bei einer der Rolltreppen, die hinunter in den Bahnhof führen, blieben sie stehen und besprachen sich. Dann trat der junge Mann unerwartet schnell auf die Rolltreppe und verschwand im Untergrund. Ich musste mich im Bruchteil einer Sekunde entscheiden, wem ich weiter folgen wollte. Ich zögerte zu lange. Der junge Mann war weg. Als ich mich umdrehte, um dem Mann aus Leukerbad zu folgen, war auch dieser verschwunden.
    Lisa Bächler, die ich von meinem Büro aus anrief, reagierte ziemlich kurzangebunden. Ich fragte, ob sie inzwischen etwas sagen konnte zu den Finanzdateien. Das konnte sie, obschon ich sie ihr erst gestern übergeben hatte. Es handelte sich, wie vermutet, um Versicherungspolicen, an denen rein gar nichts Verdächtiges feststellbar war. Sie war etwas ungehalten und bat mich, die CD wieder abzuholen.
    Ich sass in meinem Büro und starrte in die Luft. Später legte ich mich lang ausgestreckt auf den kratzigen Filzteppich. Über mir immer noch diese Kleider. Ich schob sie mit der Hand auseinander. Es war nichts darunter, was mir wirklich gefiel, lächerliche Verkleidungen. Das Büro war klein, staubig und überheizt. Nachdem ich die beiden Männer am Bahnhof verloren hatte, war ich direkt hierhergekommen. Dann noch das ernüchternde Telefon mit Lisa Bächler. Den Computer hatte ich heute gar nicht erst angemacht, es gab nichts, dem ich nachgehen konnte.
    Diesmal schaffte ich es nicht, mein Scheitern zu beschönigen. Meine vermeintlich heisse Spur, mit der ich Geldwäscher überführen wollte, nichts als harmlose Versicherungspolicen. Mein Versuch, verdächtige Personen zu verfolgen, im ersten Gedränge gescheitert. Perren, den ich für meine Verfolgungsängste verantwortlich machte, kannte mich nicht einmal. Mein Auftauchen bei AdFin, welch ein Blödsinn, ich hatte auf mich aufmerksam gemacht und dabei rein gar nichts erfahren. Wenn ich wenigstens heute so geistesgegenwärtig gewesen wäre und nun wüsste, wer zu Juris Beerdigung gekommen war. Ich aber war noch nicht einmal auf die Idee gekommen, mir die Leute genauer anzuschauen. Stattdessen hatte ich mir Gedanken über die Länge der Musik gemacht. Für wen hatte ich mich eigentlich gehalten? Hatte ich wirklich geglaubt, mit ein paar Internetrecherchen einen Geldwäschereiring aufdecken zu können? Es war,

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