Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
versuchen, gemeinsam Ihre Probleme zu lösen. Deswegen sind wir hier zusammengekommen, um einander in Schwierigkeiten und Kummer beizustehen, um Menschen, denen es schlecht geht, zu unterstützen.«
    »Danke. Ich will es versuchen.«
    Die Kamera schwenkte in den Raum. Angespannte Gesichter, in den Augen Mitgefühl.
    »Ich habe mich in ein Mädchen verliebt, aber sie hat mich verlassen, hat sich für einen anderen entschieden. Ich wollte nicht mehr leben, habe auf verschiedene Weise versucht, mich umzubringen, habe aber eingesehen, daß ich es allein nicht schaffe. Ich hatte einen alten Bekannten, wir sind zusammenin die Schule gegangen. Ich wußte, daß er Verbindungen zur Unterwelt hat. Ich habe ihn angerufen und ihm gesagt, ich brauchte einen Auftragskiller.«
    Einige ältere Frauen hatten Tränen in den Augen, eine begann sogar vor allen Leuten zu schluchzen und schneuzte sich in ihr Taschentuch. Die Kamera verweilte ein paar Sekunden lang auf ihrem Gesicht.
    »Das heißt, Sie haben einen Killer für sich selber bestellt?« fragte der Moderator mitfühlend.
    »Ja«, ertönte es dumpf unter der Maske. »Ich habe ihm mitgeteilt, daß der Mann, den ich umbringen lassen wollte, sich zu der und der Zeit an dem und dem Ort aufhalten würde, und bin dann dorthin gegangen.«
    »Was geschah weiter?«
    »Ich habe sie gesehen, bekam aber Angst und bin instinktiv weggerannt. Und jetzt verstecke ich mich schon ein Jahr lang vor ihnen. Jeden Tag kann ich ermordet werden. Man beobachtet mich. Man verfolgt mich. Doch inzwischen habe ich begriffen, was Leben bedeutet. Ich will leben, aber ich weiß, man wird mich umbringen, früher oder später.«
    »Du Ärmster, das ist ja furchtbar!« schluchzte eine Oma in das ihr vor die Nase gehaltene Mikrofon. »Du bist doch noch so jung! Genossen, man muß etwas tun, man muß dem Jungen helfen.«
    »Haben Sie denn nicht versucht, den Auftrag rückgängig zu machen?« wollte ein solide aussehender Mann mit Schnurrbart wissen.
    »Zwecklos.« Der unglückliche Talkshow-Gast schüttelte seinen maskierten Kopf. »Die Maschinerie ist in Gang gesetzt. Ich werde gejagt wie ein Tier. Jetzt bin ich hier, aber ich weiß nicht, was mir passieren wird, wenn ich das Fernsehstudio verlasse.«
    Das Publikum im Saal hatte ehrliches Mitleid mit demmaskierten jungen Burschen. Man schlug ihm Leibwächter vor, fragte, ob man ihm materiell unter die Arme greifen solle, da er ja keine Arbeit finden könne, wenn er sich vor den Killern verbergen müsse. Ein hellblondes, blauäugiges Mädchen von etwa fünfzehn Jahren bot ihm mit piepsigem Stimmchen an, er könne sich bei ihr zu Hause verstecken.
    »Danke, danke«, wiederholte Butejko als Antwort auf jedes Angebot. Der Held selber schwieg, offenbar hatte es ihm vor lauter Aufregung und Dankbarkeit die Sprache verschlagen.
    »Und da behauptet man, unsere Menschen wären hart und herzlos geworden!« rief der Moderator aus. »Ich danke dem Saalpublikum. Hören wir, was unsere Experten dazu sagen.« Er ging auf eine Gruppe von Leuten zu, die getrennt von den anderen saßen.
    Zwei Männer, dem Aussehen nach neureiche Geschäftsleute, zwischen ihnen Jelisaweta Beljajewa. Die Männer waren Vertreter der Sponsorenfirma. Die Beljajewa wurde vom Saalpublikum mit lautem Beifall begrüßt. Sie griff als erste zum Mikrofon.
    »Bevor ich mich zur Sache äußere, möchte ich unserem Gast ein paar Fragen stellen. Wie haben Sie sich bei Ihrem alten Bekannten gemeldet? Haben Sie sich mit Ihrem eigenen Namen vorgestellt?«
    »Ja, natürlich.«
    »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie mit dem Mittelsmann, der Ihren Auftrag und das Geld dafür entgegengenommen hat, zusammen zur Schule gegangen, er kennt Sie also gut?«
    »Ja.«
    »Wie haben Sie ihm dann den vorgestellt, der umgebracht werden sollte? Wessen Fotografie haben Sie dem Mittelsmanngegeben? Was für eine Adresse, was für eine Telefonnummer, welchen Namen haben Sie genannt?«
    Durch den Saal ging Gemurmel. Butejko riß der Beljajewa kurz entschlossen das Mikrofon aus der Hand.
    »Jelisaweta Pawlowna, das ist kein Verhör, und wir sind hier nicht vor Gericht. Das ist nur ein Thema für ein Gespräch. Wir stellen ein Problem zur Debatte, ein sehr ernstes und hochaktuelles, wir versuchen alle gemeinsam, es zu lösen, Hilfe zu bieten, und Sie fallen über diesen Menschen her, der in eine so schreckliche Situation geraten ist. Fahren wir fort. Was möchten Sie dazu sagen?« Er reichte das Mikrofon einem der

Weitere Kostenlose Bücher