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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Leutnant stieg aus dem Wagen, um Sokolow zur Eile anzutreiben, trat an das Geländer und blickte hinunter.
    »Genosse Hauptmann!« rief der Leutnant und sah, daß jemand im Wasser zappelte und Sokolow sich die Schuhe auszog.
    Das gerettete Mädchen war bewußtlos. Bis der Krankenwagen kam, leistete Sokolow selbst ihr erste Hilfe. Diese rührende Szene filmte ein Fernsehteam, das noch zehn Minuten vor dem Krankenwagen am Ort des Geschehens eintraf.
    Offensichtlich hatte das Mädchen sich umbringen wollen. Später stellte sich dann heraus, daß sie eins der Opfer des berüchtigten Sexualverbrechers Tenajan war, dessen Prozeß zwei Tage vorher zu Ende gegangen war.
    Hauptmann Sokolow erhielt eine offizielle Belobigung und eine Geldprämie …
     
    Du bist zu mir ins Krankenhaus gekommen, hast mir Bananen und Saft gebracht. Zusammen mit dir kam der junge Leutnant Kolja. Er blickte mich mit seinen klaren grauen Augen an und sagte mir immer wieder, wie schön ich sei. Aber du hast nur vielsagend gegrinst. Richtig gelächelt hast du niemals, du konntest und wolltest es nicht. Du hast nur auf seltsame, unangenehme Weise den Mund verzogen. Zum Abschied hat mir Leutnant Kolja die Hand geküßt, und du hast mir herablassend die Wange getätschelt. Als sich die Tür hinter euch geschlossen hatte, habe ich die Wange ins Kissen gepreßt, weil sie so brannte.
     
    »Warja, ich bin fertig. Wollen Sie nicht wieder ins Haus kommen? Sie sollten sich besser hinlegen, Dmitri Wladimirowitsch hat gesagt, Sie hätten schon seit heute morgen Temperatur.«
    »Was?« Warja zuckte so heftig zusammen, daß es der Hausangestellten, einer älteren Frau, richtig peinlich war.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe. Kommen Sie, ich mache Ihnen einen Himbeertee, Sie sind ja ganz krank.«
    »Ja, danke.« Warja zwang sich aufzustehen.
    Ihr war schwindlig. Sie mußte sich wirklich hinlegen, sich in ihre weiche Wolldecke wickeln, heißen Tee mit Himbeeren trinken und dann wenigstens noch ein bißchen in ihrem Lehrbuch lesen. Bald fing das Semester an. Es wäre peinlich, gar nichts zu wissen, selbst wenn für ihre Ausbildung viel Geld bezahlt wurde.
    »Dmitri Wladimirowitsch hat mir gesagt, Sie sollen unbedingt noch einmal Temperatur messen. Wenn Sie mehr als siebenunddreißig Grad haben, rufe ich den Arzt.«
    »Hat er denn angerufen?«
    »Ja. Vor etwa zwanzig Minuten.«
    »Warum haben Sie mich nicht geholt?«
    »Ich habe ihm gesagt, daß Sie gerade lernen, und da wollte er Sie nicht stören.«
    Mein Gott, was für eine rührende Fürsorge, dachte Warja mit ironischem Lächeln, wenn du nur sehen könntest, wie man mich hier liebt, in was für einem Haus ich wohne, was für ein Auto ich fahre und in welche Restaurants ich gehe. Und das alles gibt man mir ohne Hintergedanken, völlig uneigennützig, einfach nur darum, weil ich so bin, wie ich bin. Ja, natürlich, ich schlafe mit ihm, und das macht mir gar keinen Spaß, aber alles andere ist wunderbar. Er wird mich bestimmt heiraten, und vielleicht werde ich sogar ein Kind von ihm haben. Du hast mir eingehämmert, Liebe sei verlogene Gefühlsduselei, ein normaler Mensch könne nur sich selbst lieben. Du hast behauptet, jeder Mann sei im Grunde genauso ein Tier wie dieser perverse Rafik Tenajan, nur hätten bei Rafik die Bremsen versagt und deshalb sei er in die Falle getappt. Wäre er ein klein wenig schlauer gewesen, hätte er völlig ohne Psychodrogen Hunderte von solchen minderjährigen dummen Gänsen wie mich bumsen können. Es hat dir Spaß gemacht, mir weh zu tun, du hast Genugtuung empfunden, wenn ich geweint habe, als wolltest du dich an mir dafür rächen, daß du mir das Leben gerettet hast. Deine einzige gute Tat. Wahrscheinlich sind wir jetzt quitt. Früher kamen mir immer die Tränen, wenn ich daran dachte, wie du gesagt hast, das Gefängnis sei für dich schlimmer als der Tod und du würdest wohl kaum lebend herauskommen. Dann wurde es mir gleichgültig. Und jetzt fürchte ich nur noch eins: daß du zurückkommst.
    »Der Himbeeraufguß muß noch eine halbe Stunde ziehen. Soll ich Ihnen vielleicht inzwischen schon mal eine Tasse heißen Tee bringen?«
    Warja schob sich das Thermometer unter die Achsel undhüllte sich in ihr Plaid. Während die Hausangestellte freundlich plauderte, beruhigte sie sich langsam. Die Erinnerungen, die so plötzlich über sie hereingebrochen waren, verblaßten allmählich. Könnte sie das alles doch ganz vergessen!
    Die Hausangestellte brachte ihr ein

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