Russische Volksmaerchen
zu nehmen, und bei dem Schranke anzustellen.« Auf diese Worte entgegnete ihr der Vater: »Meine liebe und schöne Tochter, Prinzeß Druschnewna, von deinen Bitten habe ich dir bis jezt noch keine einzige abgeschlagen; auch hierin kannst du, wie du willst, nach deinem Wunsche verfahren.« – Als dies die Prinzeß Druschnewna von ihrem Vater vernahm, verneigte sie sich vor ihm, und ging hinaus. Sie ließ Vowa zu sich rufen und befahl ihm, seinen alten Dienst zu verlassen, und den neuen bei dem Schranke anzutreten.
Den folgenden Tag rief sie ihn zu sich und sprach: »Höre, Anhusei, morgen wird bei meinem Vater ein großes Fest sein, und alle Fürsten und Bojaren und tapferen Ritter werden dazu kommen, um zu essen, zu trinken und Kurzweil zu treiben; du aber mußt dich bei Tische bei mir befinden, um meine Befehle zu vollziehen.« Darauf verneigte sich Vowa vor ihr und wollte hinausgehen. Aber die Prinzeß Druschnewna rief ihn zurück und fing an, ihn zu fragen: »Sage mir die Wahrheit, junger Fant, welches Standes bist du, aus zarischem oder königlichem Geschlechte? oder bist du der Sohn eines mächtigen Ritters, oder ein Kaufmannssohn aus fremdem Lande? und wie ist dein eigentlicher Name? Denn ich glaube dir nicht, daß du ein Bürgersohn bist, wie du zu meinem Vater gesagt hast.« – Darauf antwortete ihr Vowa: »Meine Herrin, schöne Prinzeß Druschnewna, von meinem Stande und Namen habe ich deinem Vater, dem Könige Sensiboi Andronowitsch, die Wahrheit gesagt, und jezt sage ich dir dasselbe.« – Als er dieses gesagt hatte, ging er aus ihrem Zimmer.
Den andern Tag wurde bei dem Könige ein großes Fest gegeben und Vowa mußte einen gebratenen Schwan halten, den die Prinzeß Druschnewna zu zerschneiden anfing; und sie ließ mit Fleiß eine Gabel auf die Diele fallen. Vowa hob sie sogleich auf, und als er ihr dieselbe darreichte, küßte sie ihn auf das Haupt. Nach diesem Feste legte sich Vowa schlafen und schlief drei Tage und drei Nächte, und man mochte ihn rütteln, so viel man wollte, er wurde nicht wach. Den vierten Tag, als er aufwachte, ritt er in das freie Feld, um auf den verbotenen königlichen Wiesen zu spazieren, pflückte dort schöne Blumen, machte sich daraus einen Kranz, setzte ihn auf seinen Kopf und kam so in die Stadt. Als die schöne Prinzeß ihn in diesem Kranze erblickte, rief sie ihn vor sich, und befahl ihm, den Kranz vom Kopfe abzunehmen und auf den ihrigen zu setzen; aber Vowa gehorchte nicht, sondern nahm den Kranz von seinem Kopf und warf ihn auf die Erde, daß er zerfiel, und Vowa ging aus den Zimmern der Prinzeß, und warf hinter sich die Thüre mit solcher Kraft zu, daß er den silbernen Griff herausriß, und ein Stein aus der Mauer fiel, und ihn am Kopfe verwundete. Als die schöne Druschnewna davon hörte, heilte sie ihn mit ihren Arzneien. Nach seiner Genesung legte sich Vowa wieder schlafen, und schlief fünf Tage und fünf Nächte.
In dieser Zeit kam aus dem sadonischen Königreiche der König Markobrun mit vier Mal hundert tausend Kriegern, und forderte vom König Sensiboi Andronowitsch seine Tochter, die Prinzeß Druschnewna, zur Gemahlin. Er umgab mit seinem Heere die armenische Stadt, und schickte einen Gesandten ab an Sensiboi, welcher vor ihm erschien und folgendermaßen sprach: »Herr König Sensiboi Andronowitsch, ich bin von dem berühmten König und gewaltigen Helden Markobrun als Gesandter an dich geschickt, um von dir deine schöne Tochter, die Prinzeß Druschnewna, zur Gemahlin für ihn zu erbitten: wenn du sie ihm freiwillig übergibst, so wirst du es nicht bereuen, denn er ist sehr reich und mächtig und berühmt, und kann dich gegen alle deine Feinde schützen, und die umliegenden Königreiche deiner Herrschaft unterthänig machen. Er hat ein unzählbares Heer. Es steht vor deiner Stadt, und wenn du ihm sein Gesuch, deine Tochter ihm zur Gemahlin zu geben, nicht gewährst, so wird er deine Stadt mit Sturm einnehmen, dann sie verbrennen, die Einwohner mit dem Schwerte niederhauen, dich in sein Reich in Gefangenschaft führen, und die schöne Druschnewna mit Gewalt nehmen.« Da antwortete der König Sensiboi: »Sage deinem König, dem mächtigen und berühmten Markobrun, ich hätte bis jezt keine Uneinigkeiten und Händel mit ihm gehabt, ich hätte in Freundschaft mit ihm gelebt, auch jezt möchte ich mich nicht mit ihm entzweien; aber es wäre besser gewesen, wenn er dich nur mit Bitten, und nicht mit Drohungen geschickt hätte. Ich verzeihe ihm nur wegen
Weitere Kostenlose Bücher