Russka
müsse, und zwar in den Kampf gegen die Polen.
»Wenn ich zurückkomme, heirate ich dich«, erklärte er kühn. »Oh, tust du das?«
»Du magst mich doch, oder nicht?«
Sie lachte leise. »Vielleicht. Aber vielleicht gibt es auch andere nette Männer.«
»Wen, zum Beispiel? Wer ist besser als ich?«
»Da ist der Pole Stanislaus«, meinte sie und lächelte vielsagend. »Er sieht gut aus, und er ist reich.«
»Er ist ein Pole«, entgegnete Andrej bitter. »Vielleicht heirate ich dich, vielleicht auch nicht«, sagte sie. »Vielleicht kommst du ja gar nicht zurück. Und was mache ich dann?«
»Ich komme zurück. Wirst du mich dann heiraten?« fragte er plötzlich, weil er etwas zu spät merkte, daß sie ihm eine Möglichkeit offenließ. »Kann sein.«
»Laß mich ein!«
»Nicht, bevor wir verheiratet sind.«
»Wenn ich sterbe, habe ich nie mit dir geschlafen. Laß mich wenigstens die Erinnerung an dieses eine Mal mit ins Grab nehmen.« Sie brach in lautes Lachen aus. »Du kannst beim Sterben darüber nachdenken.«
»Wenigstens einen Kuß.«
»Also einen Kuß.«
Als sie sich küßten, war es Andrej, als fliege der Mond über den sternenübersäten Nachthimmel.
1648
In jenen Apriltagen herrschte im riesigen Lager große Geschäftigkeit. Täglich trafen neue Truppenkontingente ein. Die Zahl der Männer – Frauen gab es nicht – war inzwischen auf etwa achttausend angewachsen: Burschen mit Tatarenblut, türkische Stammesangehörige aus dem Osten, Mordvinen von jenseits der Oka, abtrünnige Polen und abgewandertes Landvolk aus dem Moskauer Bereich, kleine Landbesitzer, selbst Adlige aus der Ukraine. Die Ukrainer, die sich nun zu den Zaporoger Bewohnern zählten, trugen meist die losen, bauschigen Hosen und breiten Schärpen, die die Zaporoger einst von den Tataren der Steppe übernommen hatten. Dann waren da noch die Don-Kosaken, die weitere Kosaken von den Ausläufern des Kaukasus mitgebracht hatten. Sie sahen eher wie Georgier und Tscherkessen aus mit ihren offenen Mänteln, schräg eingeschnittenen Taschen und den breiten Tressen. Sie trugen schwarze Schaffelle und wickelten sich zu Pferde in weite Umhänge, die sogenannten burkas, die sie auch als Schlafdecken benutzten. Da waren sogar Kosaken aus Sibirien und vom Ural, die gern rote Hemden und hohe, pelzbesetzte Hüte nach Moskoviter Art trugen.
Niemand sonst wagte sich in die Nähe der gut befestigten Insel unterhalb der Dnjepr-Stromschnellen. Ein Dutzend Jahre zuvor hatten die Polen eine wehrhafte Festung ein Stück flußaufwärts errichtet in der Hoffnung, die aufsässigen Zaporoger Kosaken einzuschüchtern. Sie nannten diese Festung Kodak. Die Kosaken hatten sie in wenigen Monaten geschleift. Spannung lag in der Luft. Jeden Augenblick konnte es losgehen, das wußte jeder. Doch alles mußte demokratisch geregelt werden. Nichts durfte entschieden werden, ehe nicht die Versammlung abgestimmt hatte.
Inzwischen vertrieb man sich die Zeit. Viele tranken, andere spielten auf einer achtsaitigen Laute. Ein älterer Kosak spielte auf der Balalaika, und ein zweiter begleitete ihn auf einer Art Dudelsack. Wieder andere tanzten wild, gingen in die Hocke und streckten dabei ein Bein zur Seite, sprangen zwischendurch hoch in die Luft.
In all dem Durcheinander streiften ein gutaussehender junger Zaporoger Kosak und sein Kamerad durchs Lager. Wie stolz wäre der alte Ostap gewesen, wenn er seinen Sohn in diesem Augenblick hätte sehen können!
Über seinen Pluderhosen trug Andrej einen kostbaren Kaftan aus Satin. Die Schärpe war aus Seide, die Stiefel aus rotem Saffianleder. Gewöhnlich trug er eine hohe Schaffellmütze, doch eben war er ohne Kopfbedeckung: Sein Schädel war bis auf ein Haarbüschel in der Mitte, das zu einem Knoten gebunden war, glatt rasiert. Als Andrej im letzten Herbst eingetroffen war, hatte er die Initiation eines Zaporogers absolviert und ein Boot durch die tückischen DnjeprStromschnellen gelenkt. Er war begierig darauf, zu kämpfen, um als echter Kosak anerkannt zu werden. Sein Begleiter war ein merkwürdiger Bursche. Er war sehr groß, trug ebenfalls einen Haarknoten, doch sein Mantel und das schwarze Schaffell deuteten darauf hin, daß er aus der Gegend des Kaukasus kam. Er hatte auch einen dichten braunen Bart nach Art der Moskoviter. Stepan war dreißig Jahre alt und so stark, daß keiner im Lager ihn im Ringkampf besiegen konnte. Doch wie so viele kräftige Männer war er sehr sanft. Bei all seiner Stärke hatte er das Gemüt eines
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