Russka
Schlamm das Land unpassierbar, und im Sommer mußten breite Flüsse überquert werden. Im Winter jedoch waren die Flüsse fest zugefroren – man muß sich nur auf die Kälte einrichten und wissen, wie man sich auf Schnee bewegt. Die Mongolen mochten die strengen Winter gern.
Der Feldzug war recht zufriedenstellend verlaufen. Nur daß er bisher die Aufmerksamkeit des Generals nicht hatte erregen können, ärgerte Mengu.
Seine Schwester hatte bei Batu Khan für ihren Bruder gesprochen. Doch der große Mann hatte lediglich geantwortet: »Soll er sich hervortun!«
Mengu brauchte endlich eine Chance – selbst ein kleines Geplänkel würde genügen, wenn es sich nur unter den Augen des Generals abspielte! Wieder ging sein Blick aufmerksam über die Wälder hin. Das Mädchen war am Waldrand entlanggegangen, also mußte sich ein Dorf in der Nähe befinden. Gegen Mittag würden sie es erreichen.
Als Yanka erwachte, wurde ihr Gesicht schreckensbleich. Sie waren überall, und sie, Yanka, war allein. Sie stand, zitternd am ganzen Körper, am Fenster. Sie konnte den Geruch der schweißnassen Pferdeflanken wahrnehmen, die Tiere fast berühren, als die Reiter in dicken Pelzen, große Bogen auf dem Rücken, vorbeizogen und dabei die Dachtraufen streiften. Einige trugen brennende Fackeln.
Sie wandte sich um. Die Hütte war leer. Sie versuchte sich zu beruhigen. Sie erinnerte sich, daß ihr Vater die Mähre angeschirrt hatte und mit dem Schlitten auf dem zugefrorenen Fluß zum nächsten Ort gefahren war. Der klare Himmel der Dämmerung war verschwunden. Als ihr Vater losfuhr, lag das Dorf in rötlichbraunem Licht. Ihre Mutter hatte beschlossen, zum Fort hinüberzugehen. Yanka war zu Hause geblieben und eingeschlafen.
Sie hatte das Geschrei nicht gehört. Nun war sie aufgewacht und fühlte sich wie in einem Alptraum.
Yanka wußte es nicht, aber seit die Dorfbewohner geflohen waren, war erst eine Minute vergangen. Alles war so schnell gegangen. Plötzlich war am anderen Ende des großen Feldes ein Reiter aufgetaucht, dann waren es drei; als die Leute zu schreien begannen, einhundert. Lautlos sickerte die Mongolenarmee durch die Wälder, fünf riesige Trupps auf einer Breite von drei Meilen. Die Bewohner waren auf den Überfall nicht vorbereitet, ihnen blieb nichts übrig als fortzulaufen. Drei Leute hatten an Yankas Tür gehämmert, bevor sie losstürmten. Als keine Antwort kam, dachten sie wohl, die Hütte sei leer. Sie liefen über den zugefrorenen Fluß und suchten nach einem Unterschlupf. Einige nahmen Zuflucht in der Kirche, andere im Fort oder in den Wäldern. Als sie den Lärm hörte, schaute Yankas Mutter aus dem Tor des kleinen Forts. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie die Bewohner aus dem Dorf strömen sah. Gleich darauf sah sie die Linie der mongolischen Krieger am Fluß. Yanka konnte sie unter den Fliehenden nicht entdecken.
Sie lief den Hügel hinunter zum Fluß, auf den mongolischen Reiter zu, der das gegenüberliegende Ufer bereits erreicht hatte. Sie merkte nicht, daß die Dorfbewohner gedankenlos das Tor der Festung hinter ihr schlossen.
Mengu konnte sein Glück kaum fassen, als der General auf ihn zuritt. Er war ein stämmiger, sehr bestimmender, wortkarger Mann. Mit seiner Peitsche deutete er über den Fluß: »Nimm das Fort!«
Das war seine Chance! Sofort wandte er sein Pferd und ließ die am nächsten stehenden Schwadronen in zwei Linien ausscheren. Sie ritten über das Eis, um Fort und Kirche einzukreisen. Mengu winkte den Anführer einer Abteilung herbei. »Eine Belagerungsmaschine! Einen Katapult!« Die Leute brachten die Maschinen weiter nördlich in Stellung, wo der Wald nicht so dicht war. Mengu betrachtete das armselige kleine Fort aus Holz. Wie dumm von den Leuten, die Tore zu schließen! Die Soldaten wären nie auf die Idee gekommen, das Fort niederzubrennen, wären die Tore offen gewesen. Yanka zögerte. Die Reiter verließen das Dorf. Sie hatten zwei Hütten angezündet, sich jedoch nicht weiter aufgehalten. Auf einen lauten Befehl hin kamen sie eiligst zum Fluß. Plötzlich war es still. Vielleicht war Yankas Familie irgendwo dort draußen. Was sollte sie machen? Sie fürchtete sich vor den Reitern, aber noch mehr vor dem Alleinsein. Sie ging hinaus. Die Reiter waren am Fluß angekommen. Yanka sah, wie die zwei Kavallerieabteilungen über das Eis ritten, um das Fort zu umzingeln. Zu ihrer Linken war eine Infanterieeinheit von etwa dreihundert Mann. Rechts warteten sechs Reiter ungeduldig am
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