Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
hatte. „Du mußt dich für unser aller Wohl opfern. Die Tigerin frißt dir aus der Hand. Du kannst sie zum Schweigen bringen, wenn das. Wild erscheint, du kannst sie bei bester Laune halten. Bitte versprich ihr ein Buch mit Widmung oder so was, schenk ihr ein Bild mit deiner Unterschrift, tu alles.“
„Ja, bitte, bitte, Frau Dieters“, bettelten auch Senta und ich. „Es liegt ganz allein in Ihren Händen.“
„... ob unsere Safari ohne Ärger und Disharmonie verlaufen soll!“ ergänzte Heiko.
Edda Dieters seufzte. „Ihr seid mir eine Bande! Ja, ja, ich werde schon versuchen, die Dame in positiver Richtung zu beeinflussen, wenn ihr wirklich meint, daß ich es kann!“
„Und ob du es kannst!“ sagte ihr Mann.
Die Zeichnung von Senta und mir lag auf dem Tisch. Ich betrachtete sie nochmals. Heiko guckte über meine Schulter.
„Sie ist märchenhaft“, sagte er. „Wenn ich bloß wüßte, wie Sie das aufs Papier bringen können, Herr Dieters - etwas, was ich instinktiv gewußt habe, was die meisten Menschen aber gar nicht sehen. Wie bringen Sie das bloß fertig?“
„Tscha“, meinte Herr Dieters. „Es hat auch Blut gekostet!“
„Herr Dieters“, sagte Senta zaghaft. „Ist. die Zeichnung käuflich?“
„So weit habe ich noch nicht gedacht. Eigentlich könnte ich sie mal in Öl ausführen und vielleicht ausstellen.“
„Aber die Zeichnung? Diese hier? Wäre sie furchtbar teuer?“ „Mal sehen.“ Herr Dieters nahm die Zeichnung, breitete sie aus, holte wieder seinen Bleistift vor.
„Bitte“, sagte er.
Er hatte etwas in eine Ecke geschrieben:
„An Sonja und Senta Rywigs Eltern, mit freundlichem Gruß von Benno Dieters. Keekorok Lodge, im April 19 .“
„O Herr Dieters! Mutti und Vati werden hochspringen vor Freude, wenn sie die kriegen!“
„Ja, es ist lieb von mir, nicht wahr? Und was kriege ich dafür?“ „Was wollen Sie haben?“
„Einen Kuß von jeder. Gleichzeitig. Ich bin nie in meinem Leben von Zwillingen geküßt worden. Hier... und hier...“ er zeigte mit dem Zeigefinger auf seine Wangen. „Ich zähle bis drei! Eins - zwei
- drei!“
„Schade, daß es zu dunkel zum Fotografieren ist“, sagte Frau Dieters lachend.
„Wir wiederholen es morgen, wenn die Sonne scheint!“ rief Senta und rollte behutsam die Zeichnung zusammen.
Alle waren in ihre Appartements verschwunden. Moses hatte uns zuvor Bescheid gegeben, es werde um acht gefrühstückt, und er bäte uns sehr, pünktlich zu sein. Nun, dafür würden die freundlichen schwarzen Stewards - „Boys“ durften wir nicht sagen, das ist ein überholter Ausdruck aus der Kolonialzeit - also, die Stewards würden dafür sorgen, mit ihren Tabletts und ihrem freundlichen „Jambo, madam!“
„Mach die Tür zu!“ sagte Senta, als ich noch auf der Loggia zögerte. „Die Löwen fürchte ich nicht, aber wenn du sieben Millionen menschenfressende Insekten zu mir reinläßt.“
„Heiko, was war das für ein schöner Tag!“ flüsterte ich.
„Ja, mein Mädchen. Und es kommt noch schöner, wenn Petrus uns gnädig sein wird. Stehst du morgen wieder so früh auf?“
„Klar. Wie früh?“
„Wenn es anfängt, hell zu werden. Hast du etwas übrig von deinem Lunchpaket?“
„Was du alles fragst! Willst du schon auf der Loggia frühstük-ken? Ja, ich habe eine Banane und einen Apfel, vielleicht auch etwas Brot.“
„Fein. Bring das morgen mit. Und zieh deinen Badeanzug an und einen Mantel darüber.“
„Wie du befiehlst, Herr und Gebieter!“
„Das höre ich gern. Bleib so, diese Einstellung ist die richtige.“ Dann folgte eine Pause.
„Gute Nacht denn, Impala.“
„Gute Nacht - Bwana!“
Wenn ich jetzt an diese Zeit zurückdenke, ist es schwer zu sagen, was am allerschönsten war. Wahrscheinlich diese frühen Morgenstunden. Nicht nur, weil ich mich immer frühmorgens mit Heiko traf, während die anderen Gäste noch schliefen. Auch ohne Heiko wäre ich früh aufgestanden, wäre hinausgeschlichen und hätte still dagesessen, um das Erwachen der Natur mitzuerleben.
Ich brauchte keinen Wecker. Ich glaube, es war die glückliche Erwartung, die Vorfreude auf den neuen Tag, die mich jeden Morgen weckte.
An diesem ersten Morgen in Keekorok war ich sogar vor Heiko draußen. Aber trotzdem war ich nicht der einzige Mensch, der wach war. Eine schwarze Gestalt, in einen dicken Mantel gehüllt und mit einem gewaltigen Knüppel in der Hand, ging über den Rasen. Er entdeckte mich und nickte:
„Jambo, Miß! Können Sie
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