Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
schwarze Füße liefen über das taufeuchte Gras, vor den Gittertüren wurde „Jambo, die Herrschaften“ gerufen, und zerzauste Köpfe, gestreifte Pyjamaarme kamen in den Türspalten zum Vorschein, Hände nahmen die Teetabletts entgegen.
Drin im Speisesaal hinter den weitgeöffneten Glastüren wurden die Frühstückstische gedeckt. Es zeigte sich nachher, daß noch ein Kleinbus spät in der Nacht mit Ach und Krach angekommen war.
Plötzlich hatte ich einen Mordshunger.
„So, da bist du“, sagte mein Schwesterchen. „Ich dachte, du wärest schon von einem Leoparden aufgefressen. Ich habe Rolf drei Seiten geschrieben, soll ich grüßen?“
„Klar, Gruß und Kuß, haufenweise.“
„Das Küssen ist meine Sache“, sagte Senta. Worauf sie die Bettdecke mit Schwung zur Seite schaffte und unter die Brause sprang.
Am Frühstückstisch war die Stimmung die allerbeste. Der Tag versprach schön zu werden, und wir wollten uns gleich auf eine Pirschfahrt begeben! Fotojagd auf Afrikas wilde Tiere!
Die Tigerin war im siebten Himmel. Sie hatte mit ihrem schweigsamen und schwergeprüften Lebensgefährten den Platz gewechselt und saß nun neben Frau Dieters. Sie verschlang jedes Wort, das die angebetete Schriftstellerin äußerte.
Ich fand es auch reizend, daß wir eine meiner Lieblingsschriftstellerinnen getroffen hatten, aber Sentas und meine Begeisterung, die bestimmt echt war, hielt dem Vergleich mit Frau Tigers Seligkeit überhaupt nicht stand.
Frau Dieters war engelsfromm. Sie ließ sich nach dem Frühstück mit Frau Tiger zusammen fotografieren, und zwar mit ihrer eigenen Polaroidkamera. Frau Tiger war außer sich vor Glück, als sie das fertige Bild als Geschenk bekam, und als Edda Callies obendrein ein paar Worte draufschrieb, schwieg sie überwältigt.
„Frau Martha Johannsen als Erinnerung an Keekorok Lodge, mit allen guten Wünschen von Edda Dieters Callies.“
So. Jetzt war die Safari bestimmt gerettet! Frau Tiger würde kein Wort sagen, wenn sie schweigen sollte. Sie würde sich über nichts beklagen, selbst wenn man verlangte, sie müßte in einem Schlafsack zwischen zwei hungrigen Löwen übernachten!
Dann kam endlich der Aufbruch. Moses wartete am Auto, das frisch gewaschen und tipptopp instand war. Ich hätte es streicheln können, wenn ich daran dachte, wie es uns gestern heil durch Lehm, Wasser und Steine gebracht hatte. Und Moses - ja, den hätte ich küssen können!
Aber diesen Wunsch mußte ich mir verkneifen. Moses’ Frau würde vielleicht etwas dagegen haben. Und Heiko erst recht.
Querfeldein
Wir hatten eine Person mehr im Wagen.
Ein pechschwarzer Wildhüter in Khaki saß jetzt auf Frau Dieter’s Platz neben Moses. Als dritte auf dem Vordersitz wurde ich ausgewählt. Erstens, weil ich eine der beiden schlanksten der Gesellschaft war. Zweitens, weil ich dolmetschen konnte. Drittens, weil ich nicht filmte oder fotografierte. Der Platz vorn war sehr schön für eine, die gern möglichst viel sehen wollte, aber schlecht fürs Fotografieren. Wenn wir hielten, wurde das Schiebedach zurückgeschoben, aber das Stückchen Dach über dem Führersitz war fest.
„Daß du dich nicht vergißt und Senta für ihre Schwester hältst!“ sagte ich drohend zu Heiko.
„Ich setze mich dazwischen und passe auf!“ sagte Herr Dieters. „Nicht, Edda, du wolltest doch gern neben Frau Johannsen sitzen.“
„Na, Sie werden was erleben, wenn Sie Ihre Frau unter vier Augen hat!“ sagte ich in meiner selbstgebastelten norwegischdänischen Mischung.
„Macht nichts, ich bin der Stärkere, verhauen kann sie mich nicht“, schmunzelte Herr Dieters.
Frau Dieters setzte sich mit einem engelsfrommen Lächeln neben die Tigerin. In einem Baum quiekte eine Meerkatze, auf dem schönen Holzschild mit „Keekorok Lodge“ in großen Lettern zwitscherten ein paar schöne, bunte Vögel - an der Wand glühte ein zwei Meter hoher Weihnachtssternstrauch. Die Sonne schien, sieben europäische Augenpaare leuchteten - wir fuhren los.
Auf der Herfahrt hatten wir manchmal Tiere gesehen, Gazellen, Antilopen und verschiedene Vogelarten. Aber wir waren so zitternd gespannt gewesen, ob wir unser Ziel erreichten - so gespannt, daß wir uns nicht hundertprozentig auf das Tierleben konzentrieren konnten. Außerdem hatte Moses uns erklärt, die Zeit erlaube nicht viele Fotopausen, wir könnten aber ganz beruhigt sein, wir würden in den folgenden Tagen viel, viel mehr Tiere zu sehen bekommen!
Moses behielt recht. Nach wenigen
Weitere Kostenlose Bücher